Seit März 2016 werden die Starts und Landungen am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ vollkoordiniert vergeben. Dies bedeutet, dass die sogenannte Airport-Slotvergabe zentral durch den Flugplankoordinator (FHKD) bzw. die Flughafenkoordination Deutschland GmbH (FLUKO) in Frankfurt am Main erfolgt. Damit steht bereits Monate im Voraus fest, welche Fluggesellschaft vom „Helmut Schmidt-Airport“ wann, wohin fliegen bzw. wann – woher auch immer – in Hamburg landen will. Was die Beweggründe des kommerziellen Flughafenbetreibers (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) sind, dennoch keinen Flugplan mit konkreten Start- und Landezeiten (mehr) zu veröffentlichen, bleibt unbeantwortet (vgl. NoFlyHAM-Blogbeiträge „Vollkoordiniert Planlos“ sowie „Ersatzflugplan“).
Ein Vorteil der externen Slotvergabe durch den FHKD ist, dass die Anzahl an Flugbewegungen pro Zeiteinheit jeweils für einen Sommer- oder Winterflugplan im Internet veröffentlicht wird. Auf diese Weise lassen sich Hauptbelastungszeiten, Auslastungsgrad und Belastungsentwicklung gut nachvollziehen.
Die nachfolgende Graphik stellt die zeitliche Variation der Anzahl an geplanten Starts am „Helmut Schmidt-Airport“ über die (derzeit noch) bestehende Betriebszeit von 6 Uhr bis 23 Uhr während des Sommerflugplans 2017 der des aktuellen Sommerflugplans 2018 gegenüber. Die jeweils dargestellten Zeitintervalle betragen zehn Minuten; Bezugszeit bildet eine Stunde. Zusätzlich eingezeichnet ist der Koordinationseckwert, welcher die (formal) maximal mögliche Anzahl an Starts pro Stunde abbildet. Am „Helmut Schmidt-Airport“ liegt dieser Wert bei 31 Starts pro Stunde bzw. 18 Starts in 30 Minuten oder 7 Starts in 10 Minuten. Letzteres jedoch nur, wenn entgegen der Bahnbenutzungsregelung im Wechselbetrieb über zwei Bahnen gestartet wird.
Abb. 1: Airport-Slot-Koordination – Vergleich der Anzahl geplanter Abflüge am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ während des Sommerflugplans 2017 und 2018, jeweils in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr (inkl. Koordinationseckwert)
Deutlich wird, dass die Nachtruhe im Einflussbereich des „Helmut Schmidt-Airports“ maximal abrupt endet. Die ersten sechs bis acht Zehnminuteneinheiten sind (nahezu) vollständig ausgelastet. Nach der allmorgendlichen „Startorgie“ nimmt die Startdichte zunächst deutlich ab, um am späten Vormittag (10 – 12 Uhr) und frühen Nachmittag (15 – 16 Uhr) jeweils zwei weitere Belastungsspitzen aufzuweisen. Nach dem Maximum am frühen Abend (18:30 – 20 Uhr) sinkt die Startdichte bis 23 Uhr wesentlich. Beim Vergleich der beiden Flugpläne fällt auf, dass im Jahr 2018 der (geplante) Belastungsschwerpunkt am späten Vormittag deutlich stärker ausgeprägt ist als im Vorjahr und auch am Abend (nach 20 Uhr) die Startdichte zugenommen hat. Im Gegenzug dazu fällt die (geplante) Startdichte am Nachmitttag (15 – 18 Uhr) im aktuellen Jahr geringer aus.
Abb. 2: Airport-Slot-Koordination – Vergleich der Anzahl geplanter Ankünfte am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ während des Sommerflugplans 2017 und 2018, jeweils in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr (inkl. Koordinationseckwert)
Die analoge Darstellung hinsichtlich der Aufteilungen der (geplanten) Landungen über einen (durchschnittlichen) Betriebstag zeigt, dass in der ersten halben Betriebsstunde kaum Landungen am „Helmut Schmidt-Airport“ stattfinden. Bis 10 Uhr steigt deren Anzahl dann kontinuierlich an. Die (mit Abstand) größte Belastungsphase findet jedoch zwischen 21 Uhr und 22:40 statt. Während dieser Phase wird der Koordinationseckwert nahezu gänzlich ausgeschöpft. Der Vergleich der beiden Sommer-Flugpläne zeigt, dass im aktuellen Jahr die Anzahl an Landungen am Vormittag (8 – 12 Uhr) und frühen Nachmittag (13:30 – 15 Uhr) deutlich zugenommen und am späten Nachmittag (17:30 – 19:30 Uhr) abgenommen hat.
Betrachtet man das Anschwellen der Landungsdichte zu Betriebsbeginn am Morgen und das Abschwellen der Startdichte zu Betriebsende am späten Abend, entspricht dies den Vorgaben des BVerwG-Urteils (4C 8.09) zur Betriebsweise des Frankfurter Verkehrsflughafens. Umgekehrt verdeutlicht jedoch die Startdichte zu Betriebsbeginn und die Landungsdichte zu Betriebsende genau das Gegenteil der rechtlichen Sollvorgabe!
Abb. 3: Airport-Slot-Koordination – Vergleich der Anzahl geplanter Flüge (Starts und Landungen) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ während des Winterflugplans 2016 und 2017, jeweils in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr (inkl. Koordinationseckwert)
Der Koordinationseckwert für einen gemischten Start- und Landebetrieb liegt am „Helmut Schmidt-Airport“ bei 48 Flugbewegungen pro Stunde. Dieser Wert wurde während der Winterflugplanzeiten 2016 und 2017 über den gesamten Betriebstag nicht erreicht. Auffällig ist jedoch die starke Zunahme der (geplanten) Flugbewegungsanzahl im Jahr 2017 gegenüber 2016. Nahezu während jedes 10-Minuten-Zeitintervalls waren 2017 mehr Starts und Landungen kommerzieller Linien- und Touristikflieger als im Vorjahr vorgesehen. Übrigens: Eine Zunahme der Flugbewegungsanzahl außerhalb der sechs verkehrsreichsten Monate eines Flugjahres findet keine Beachtung bei der Ermittlung des Fluglärmteppichs; rein formal betrachtet findet somit keine Belastungszunahme statt – ein (weiterer) grober Missstand bei der Erfassung und Bewertung der Fluglärmbelastung.
Abb. 4: Airport-Slot-Koordination – Vergleich der Anzahl geplanter Flüge (Starts und Landungen) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ während des Sommerflugplans 2017 und 2018, jeweils in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr (inkl. Koordinationseckwert)
Der Vergleich der (geplanten) Starts und Landungen am „Helmut Schmidt-Airport“ während des Sommerflugplans 2018 zu 2017 belegt die deutliche Zunahme der Flugverkehrsdichte am Vormittag (8 – 12 Uhr), die Abnahme am Nachmittag bis frühen Abend (14 – 20 Uhr) und die leichte Zunahme in den späten Abend- bis frühen Nachtstunden (21:30 – 22:30 Uhr). Auffällig ist außerdem, dass im Sommerflugplan 2018 – im Gegensatz zu 2017 – der Koordinationseckwert von 48 Starts und Landungen pro Stunde nicht mehr in Gänze ausgeschöpft wird.
Insgesamt ist festzustellen, dass die hohe Flugbewegungsdichte zwischen 21 Uhr und 23 Uhr maßgeblich zum Verspätungsdebakel beiträgt (vgl. NoFlyHAM-Blockbeitrag „Amtshilfe“). Hauptreiber der permanenten Verstöße gegen die FHG-Betriebsordnung ist jedoch die ungenügende Umlaufplanung der Fluggesellschaften mit skandalös zu kurz vorgesehenen Standzeiten (20 – 30 Min.) am Boden, nahezu ohne jeglichen zeitlichen Puffer für etwaige „Verzögerungen im Betriebsablauf“. An vorderster Front bei diesem groben Missmanagement stehen die Billigflieger mit ihren prekären Geschäftsmodellen zu Lasten Dritter. Ryanair und easyJet bilden hierbei negative Leuchttürme.
Fazit:
Am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ bestehen seit Jahrzehnten umfangreiche Schutzbestimmungen für die Bevölkerung vor vermeidbarem – und damit verbunden unzumutbarem – Fluglärm (vgl. NoFlyHAM-Blogbeiträge „Regelkunde“, „Gute Nacht, Helmut“ und „Recht und Ordnung“). In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Nachtflugbeschränkungen und die Bahnbenutzungsregeln anzuführen, die allerdings – trotz immerwährender Beteuerungen des kommerziellen Flughafenbetreibers sowie der Haupteigentümerin Genehmigungs- und Kontrollbehörde (BWVI) – kaum noch Beachtung finden. Regelbrüche werden hier immer mehr zum Alltagsgeschäft.
Die Flugspurenauswertungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD e.V.) belegen eindrucksvoll, dass bereits beim heutigen (formalen) Auslastungsgrad von ca. 77 % die Schutzbestimmungen nahezu täglich nächtlich verletzt werden. Oberhalb einer Schwelle von ca. 30 Starts und Landungen pro Stunde besteht ein enger Zusammenhang von zusätzlicher Flugbewegungsanzahl und Intensität der Missachtung von Schutzregeln. Dieser Wert korreliert augenscheinlich mit der Häufigkeit der Fluglärmbeschwerden: Ist ein individueller Belastungsgrad bei den Betroffenen überschritten, schnellt die Beschwerdehäufigkeit überproportional in die Höhe.
Die Forderung aus dieser Erkenntnis lautet, dass aus Lärmschutzgründen bei zukünftigen, den Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ betreffenden Slotverhandlungen durch den Flugplankoordinator entsprechende Reduzierungen der maximal zulässigen Anzahl an Starts und Landungen pro Zeiteinheit vorgenommen werden müssen. Dies gilt insbesondere für die erste (6 – 7 Uhr) und letzte (22 – 23 Uhr) Betriebsstunde. Während dieser Zeiten ist über die FHG-Betriebsgenehmigung ein Einbahnbetrieb (i.d.R.) vorgeschrieben. Im vergangenen Jahr wurde die entsprechende Schutzregel jedoch in 364 von 365 Nächten missachtet …
Aus Sicht der übermäßig vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowohl im Nahbereich des Flughafens als auch in den An- und Abflugschneisen bis in die Hamburger Stadtrandgebiete sowie die angrenzende Metropolregion in Schleswig-Holstein und Niedersachsen reichend muss mit der vollkoordinierten Slotvergabe eine Belastungsreduzierung einhergehen, da nur so viele Slots vergeben werden dürfen, wie es bei vollumfänglicher Einhaltung der festgelegten Regeln zum Schutz der Bevölkerung vor unzumutbaren Fluglärm möglich ist. Dies bedeutet, dass zwischen 6 Uhr und 7 Uhr sowie zwischen 22 Uhr und 23 Uhr der Koordinationseckwert von derzeit 48 Starts und Landungen pro Stunde auf 18 – 24 Stück pro Stunde zu reduzieren ist. Kapazitätssteuernde Vorgabe ist die Durchführung eines sicheren und zuverlässigen Gegenanflugbetriebes von 22 Uhr bis 7 Uhr, in Abhängigkeit der Wechselhäufigkeit von Starts und Landungen über die Piste RWY 33/15.
Mindestens auf Bundesebene, besser auf europäischer Ebene ist dafür Sorge zu tragen, dass Fluggesellschaften vergattert werden, etwaige „Verzögerungen im Betriebsablauf“ fest in ihre Umlaufplanung zu integrieren. Unverhofft kommt nicht nur oft, sondern ist untrennbarer Bestandteil der Lebenswirklichkeit. Allein davon auszugehen, dass schon alles klappen wird, ist nicht nur naiv, sondern unverantwortlich. Aus bewusster Fahrlässigkeit wird bedingter Vorsatz. Erzieherisches Mittel sollte die monetäre Daumenschraube sein. Flugpläne „Spitz auf Knopf“ zu Lasten Dritter zu planen, darf sich finanziell für die Fluggesellschaften nicht lohnen. Außerdem darf aus derartigem Fehlverhalten kein Wettbewerbsvorteil gegenüber regeltreuen Fluggesellschaften entstehen.
Bei der Fluglärmbekämpfung geht es um das Wohl der Allgemeinheit. Dem bestehenden gravierenden Belastungsübermaß muss endlich von den Verantwortungsträgern in Politik und Verwaltung entschieden entgegen getreten werden! Einfach nur Punktepläne und freiwillige Selbstverpflichtungen medienwirksam öffentlich zu verkünden und dann keine konkreten Taten folgen zu lassen, stellt ein Armutszeugnis dar.