„Slots sind das Gold in der Verkehrsluftfahrt“ schreibt das Fluglobbyportal „Airliners“ im Jahr 2009.
In der Luftfahrt dient die Vergabe von sogenannten Slots der Rationierung Verteilung von Luftverkehrsinfrastrukturkapazitäten – vgl. VO EWG 95/93. Ein Slot bezeichnet ein Zeitfenster, in dem eine Fluggesellschaft einen entsprechend koordinierten Flughafen zum Starten oder Landen ihres Flugzeugs benutzen darf. Unterschieden wird zwischen Airport- oder Runway-Slots für die langfristige Flugplanung und Airway-Slots für den tagesaktuellen Luftverkehr.
Die Kapazitäten des Luftraums, der Start- und Landebahnen sowie der Abfertigungsanlagen unterliegen administrativen, materiellen und personellen Beschränkungen. Aufgrund dessen werden Flugverbindungen an stark frequentierten Flughäfen zentral koordiniert. Der reguläre Handel mit Slots geschieht auf Flugplankonferenzen, bei denen Fluggesellschaften ihre Slotwünsche für die anstehende Flugsaison vorbringen. In einem zweiten, koordinierenden Schritt wird versucht, diese mit den Wünschen („Bedarfsanzeigen“) der Mitbewerber und im Einklang mit den jeweils vorhandenen Kapazitäten (s.o.) abzustimmen. In Deutschland hat in diesem Wechselspiel aus Nachfrage und Angebot der Flugplankoordinator die Federführung.
Slots werden vor jeder Flugplanperiode neu vergeben – in einem für Außenstehende weitgehend intransparenten Verfahren: Nach dem „Großvaterrecht” werden als erstes (scheinbare) Besitzstände bedient. Danach erfüllt eine Fluggesellschaft, die einen zugewiesenen Slot in der entsprechenden Flugsaison zu mindestens 80 % ausgenutzt hat, die alleinige Bezugsbedingung für die nächste Flugplanperiode. Eine Fluggesellschaft, die hingegen einen erhaltenen Slot „unzureichend“ frequentiert, verliert die entsprechende Nutzungsoption. Erst wenn alle historischen Slots bei einer Flugplankonferenz vergeben sind, werden die verbleibenden Start- und Landeoptionen an die noch „bedürftigen“ Fluggesellschaften verteilt.
Flughafenslots werden jeweils für eine Saison (Sommersaison i.d.R. 30 Wochen, Wintersaison i.d.R. 22 Wochen) vergeben. Für einen täglichen Liniendienst sind 14 Slotserien notwendig, da jeweils ein Slot für Abflug- und Anflug an sieben Wochentagen benötigt wird. Nach der formalen Vergabe durch den Flughafenkoordinator können Slots im Verhältnis 1 zu 1 zwischen den Fluggesellschaften getauscht, (offiziell) aber nicht verkauft werden. Umweltbelange sowie der Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm (z.B. die Häufigkeit von Regelverstößen) spielen bei der Slotvergabe (bisher) keinerlei Rolle.
Der Slothandel ist ein dynamisches bis chaotisches System zu Lasten Dritter: Bis zu einem Stichtag können auf der Flugplankonferenz ergatterte Slots zurückgegeben werden, wenn deren Nutzung durch eine Fluggesellschaft nicht mehr beabsichtigt ist. Diese werden dann durch den Flugplankoordinator anderweitig verteilt. Eine verspätete Rückgabe führt dazu, dass diese Slots (grundsätzlich) nicht mehr genutzt werden können. Gründe hierfür können der (unzulässige) Zweck des Zwischenhandels, die (unzulässige) Hortung von Slots sowie rein betriebswirtschaftlicher Natur (Missmanagement) sein, wenn z.B. die hauseigenen Verbindungsplanungen zum entsprechenden Zeitpunkt nicht abgeschlossen waren. Die verspätete Rückgabe vor und während der Saison sowie die sogenannten „no shows“, d.h. die unangekündigt nicht genutzten Slots, sind eine Form des willentlichen Slotverfalls durch die verursachenden Fluggesellschaften.
Die nachfolgende Graphik verdeutlicht den Zusammenhang des Slotgeschachers Slothandels anhand der Anzahl der ursprünglich nachgefragten und zugewiesenen Slots mit den am Ende tatsächlich stattgefundenen Flugbewegungen (prozentuale Darstellung). Auffällig ist, dass an allen Standorten die „Bedarfsanzeige“ der Fluggesellschaften vor der Saison deutlich über der Anzahl der tatsächlich stattgefundenen Flüge während und insbesondere am Ende der Saison liegt. Offensichtlich werden Slots für diese Flughäfen vom Flugplankoordinator weit unter ihrem monetären Wert vergeben.
Abb.: Slotentwicklung an ausgewählten europäischen Flughäfen in der Sommersaison 2004. Zeichenerklärung: I. Gesamtzahl der ursprünglich nachgefragten Slots; II. Gesamtzahl der ursprünglich zugewiesenen Slots (Flugplankonferenz – IATA Scheduling Conference); III. Gesamtzahl der zugewiesenen Slots zum Zeitpunkt des „slot return date“; IV. Gesamtzahl der zugewiesenen Slots zu Beginn der Saison; V. Gesamtzahl der zugewiesenen Slots am Ende der Saison; VI. Gesamtzahl der durchgeführten Verkehre am Ende der Saison (Quelle: Airports Council International Europe – ACI)
Die Notwendigkeit der zentralen Slotvergabe besteht insbesondere an stark ausgelasteten Flughäfen, bei denen in der Regel mehr Flugbewegungen nachgefragt werden, als aufgrund der Kapazität (Randbedingungen) möglich sind. In Deutschland sind die Verkehrsflughäfen in Berlin (Tegel und Schönefeld), Düsseldorf, Frankfurt, München, Stuttgart und Hamburg vollkoordiniert. Letzterer wurde im März 2016 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) entsprechend ausgewiesen. Dies bedeutet, dass seitdem auch in Hamburg die Slots zentral nach dem oben beschriebenen Prozedere vergeben werden.
Anderes (Teil-)Thema: Als Koordinationseckwert wird die maximale Anzahl an Flugbewegungen bezeichnet, die je Zeiteinheit an einem Flugplatz aufgrund der bestehenden Randbedingungen abgewickelt werden kann. Am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel sind dies 48 Starts und Landungen je Stunde. Hieraus folgt, dass der durchschnittliche zeitliche Mindestabstand je Flugbewegung (rechnerisch) 75 Sekunden beträgt. Hochgerechnet auf einen Betriebstag von (derzeit noch) 17 Stunden ergibt sich eine maximale theoretische tägliche Flugbewegungsanzahl von 816 Maschinen sowie von (absurd hohen) 298.000 Flugbewegungen pro Jahr. Das bisher flugbewegungsreichste Jahr am „Helmut Schmidt-Verkehrsflughafen“ war 2007 mit insgesamt 173.500 Starts und Landungen; dies entspricht (durchschnittlich) 475 Flugbewegungen pro Tag, bzw. 28 Flugbewegungen pro Stunde.
Die nachfolgende Graphik stellt die zeitliche Variation der Anzahl an geplanten Flugbewegungen (jeweils Summe aus Starts und Landungen pro Zeiteinheit) am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ an einem durchschnittlichen Betriebstag von 6 Uhr bis 23 Uhr während der Sommersaison 2017 sowie Wintersaison 2016/17 dar. Das ausgewertete Zeitintervall beträgt jeweils zehn Minuten; Bezugszeit bildet eine Stunde: Deutlich wird, dass die nutzungsbedingte Auslastung während des Tages periodisch schwankt, mit einem Belastungsmaximum zwischen 17:30 Uhr und 19:30 Uhr. Weiterhin zeigt sich, dass der bestehende Koordinationseckwert von 48 Flugbewegungen pro Stunde nur vereinzelt (insgesamt für ca. 100 Minuten pro Betriebstag während der Sommersaison) erreicht wird. Außerdem ist zu erkennen, dass in der Sommersaison 2017 – bis auf kurze Zeiträume am Morgen (zwischen 8 Uhr und 9 Uhr) sowie am Abend (zwischen 20 Uhr und 21 Uhr) – deutlich mehr Flugbewegungen pro Zeiteinheit stattfinden als in der Wintersaison 2016/17. Über die gesamte Flugsaison betrachtet liegt der durchschnittliche (technisch realisierbare) Auslastungsgrad im Sommer 2017 bei 76 % und im Winter 2016/17 bei 62 %.
Eine Aussage, wann die Flüge tatsächlich stattgefunden haben bzw. stattfinden werden, lässt sich aus der Abbildung nur bedingt ableiten. Keinen Hinweis gibt die Darstellung darüber, wie hoch die Akzeptanzschwelle (maximale, bürgerverträgliche Anzahl an Starts und Landungen pro Zeiteinheit) bei der betroffenen Bevölkerung ist.
Abb.: Zeitliche Variation der Flugbewegungsanzahl über einen durchschnittlichen Betriebstag während der Sommersaison 2017 sowie Wintersaison 2016/17 am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ (Quelle: Flughafenkoordination der Bundesrepublik Deutschland – FHKD)
Der vergleichsweise geringe technische Auslastungsgrad am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ steht im krassen Widerspruch zu den zigtausendfach vorgebrachten Überlastungsanzeigen aus der Bevölkerung. Zu beachten ist, dass die überproportional häufigen Starts in der ersten Betriebsstunde (6 Uhr bis 7 Uhr) und die überproportional häufigen Landungen in der (derzeit noch) letzten Betriebsstunde (22 Uhr bis 23 Uhr) zu berechtigten vehementen Protesten der Betroffenen führen. Hieraus ist folgerichtig zu schließen, dass die maximal stadtverträgliche bürgerverträgliche Flugbewegungsanzahl pro Stunde deutlich unterhalb des jetzigen Koordinationseckwertes von 48 liegt. Daher muss insbesondere in den (derzeitigen) Betriebsrandzeiten die Flugverkehrsbelastung wesentlich verringert werden – vgl. BVerwG 4C 8.09.
Nicht die technische Machbarkeit darf die Obergrenze der Starts und Landungen pro Zeiteinheit darstellen, sondern die Leidensbereitschaft („Akzeptanz“) bei der vom Flugverkehr betroffenen Bevölkerung! Alles andere ist hochgradig unfair und ruft eine tiefgreifende Diskussion der „gerechten Belastungsverteilung“ (bisher müssen die Bewohnerinnen und Bewohner von drei Start- und Landebahnrichtungen 98 % der flugverkehrsbedingten Belastungen ertragen) aufs Tapet.
Fazit:
Aus Sicht der übermäßig vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowohl im Nahbereich des Flughafens als auch in den An- und Abflugkorridoren bis in die Hamburger Stadtrandgebiete sowie die angrenzende Metropolregion in Schleswig-Holstein und Niedersachsen reichend muss mit der vollkoordinierten Slotvergabe eine Belastungsreduzierung einhergehen, da nur so viele Slots vergeben werden dürfen, wie es bei vollumfänglicher Einhaltung der festgelegten Regeln zum Schutz der Bevölkerung vor unzumutbaren Fluglärm möglich ist. Am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ bestehen derartige Vorgaben beispielsweise durch die Nachtflugbeschränkungen und die Bahnbenutzungsregeln.
Umfangreiche Flugspurenauswertungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD e.V.) belegen eindrucksvoll, dass bereits beim heutigen Auslastungsgrad von 76 % die Schutzregeln nahezu täglich nächtlich verletzt werden. Oberhalb einer Schwelle von ca. 35 Starts und Landungen pro Stunde besteht ein enger Zusammenhang von zusätzlicher Flugbewegungsanzahl und Intensität der Missachtung von Schutzregeln. Dieser Wert korreliert augenscheinlich mit der Häufigkeit der Fluglärmbeschwerden: Ist ein individueller Belastungsgrad überschritten, schnellt die Beschwerdehäufigkeit überproportional in die Höhe. Die Forderung aus dieser Erkenntnis lautet, dass bei zukünftigen, den Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ betreffenden Slotverhandlungen entsprechende Reduzierungen der maximal zulässigen Anzahl vergebener Slots – insbesondere in der ersten und letzten Betriebsstunde – durch den Flugplankoordinator aus Lärmschutzgründen vorgenommen werden müssen.
Es zeigt sich überdeutlich, dass die seit Jahren auf rein quantitatives Wachstum ausgelegten Entwicklungsziele der kommerziell agierenden Flughafenbetreibergesellschaft (FHG) unvereinbar sind mit den berechtigten Schutzbedürfnissen der Betroffenen!