Ersatzflugplan

Die berechtigte Frage des Bürgerschaftsmitgliedes Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 25.04.2017 „Warum gibt es – im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Flughäfen – in Hamburg seit Kurzem keinen umfassenden Flugplan mehr, der die konkreten Ankunft- und Abflugzeiten umfasst“ lässt der regierende Hamburger Senat unbeantwortet (siehe Drs. 21/8853). Derart mangelhaftes Antwortverhalten ist nicht neu und wurde bereits durch die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD!) scharf gerügt (HA, 18.04.17).

Was sind die Beweggründe des kommerziellen Betreibers des Hamburger Regionalflughafens „Helmut Schmidt“ (Flughafen Hamburg GmbH – FHG), nur noch tageweise im Internet (ohne Archivfunktion) Start- und Landezeiten anzugeben und ansonsten „planlos“ daher zu kommen? Zum Vergleich: Die Betreibergesellschaft des deutlich größeren Münchener Flughafens (42,6 Mio. Passagiere bei 394.400 Flugbewegungen im Jahr 2016) hat ein derartiges Versteckspiel nicht nötig. Vielleicht liegt es daran, dass es sich hierbei um einen gut geführten, modernen Flughafen handelt …

Die Senatsantwort, dass die Fluggesellschaften ihre Flugplanungen fortlaufend anpassen, sodass es auch während eines laufenden Flugplans immer wieder zu Verschiebungen einzelner Planzeiten kommt, ist vorgeschoben – oder trifft dies nur für Hamburg zu (s.o.)? Ebenso mutet die FHG-Begründung, das Weglassen dieser maßgeblichen Informationen führe dazu, dass der Flugplan nunmehr „überschaubar und kompakt“ sei, mehr als hilflos an.

Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass die FHG das immer gravierendere Verspätungsdebakel bestmöglich zu verschleiern versucht!

Die ehrenamtlich geführte Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) ist – im Gegensatz zur professionellen Flughafenbetreibergesellschaft – willens und in der Lage, einen Flugplan aufzustellen bzw. diesen nachzukonstruieren. Exemplarisch (und da es für die Auswertung bezüglich der nächtlichen Verletzungen der offiziellen Betriebszeit von hoher Relevanz ist) werden im Folgenden die im Zeitraum 27.03. bis 07.05.2017 zwischen 22 Uhr und 23 Uhr vorgesehenen Starts und Landungen aufgelistet. Datengrundlagen bilden die tägliche Ankunfts– und Abflugübersicht der FHG sowie die Flugspurenauswertungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD e.V.).

Abb. 1: Planmäßige Start- und Landezeiten zwischen 22:00 Uhr und 22:14 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ im Zeitraum 27.03. – 07.05.2017

Insgesamt wurden während der ersten sechs Wochen des Sommerflugplans 791 planmäßige Flugbewegungen zwischen 22 Uhr und 23 Uhr im Internet angekündigt. Davon entfallen 230 auf die erste Viertelstunde; dies entspricht einem Anteil von 29,1 %. Im Zeitraum von 22:15 Uhr bis 22:29 Uhr waren 284 Starts und Landungen eingeplant (35,9 %) und zwischen 22:30 Uhr und 22:44 Uhr 172, d.h. 21,7%. In der letzten (derzeit noch) regulären Viertelstunde von 22:45 Uhr bis 22:59 Uhr waren im Betrachtungszeitraum (27.03. – 07.05.2017) insgesamt 105 Flugbewegungen (13,3 %) avisiert.

Abb. 2: Planmäßige Start- und Landezeiten zwischen 22:15 Uhr und 22:29 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ im Zeitraum 27.03. – 07.05.2017

Auffällig ist, dass der Anteil der Billigheimer (Low Cost Carrier – LCC und Low Fare Carrier – LFC) am Flugverkehrsgeschehen in der ersten Nachtstunde von 22 Uhr bis 23 Uhr überproportional hoch ist. Während im gesamten Flugjahr 2016 die Billigfluggesellschaften zusammen mittlerweile 55,6 % aller Flugbewegungen (und damit verbunden der Luftverkehrsbelastungen) ausmachen, sind es in der letzten Betriebsstunde sogar 66,1 %. Erneut bestätigt sich das prekäre Geschäftsmodell der Billigflieger.

Abb. 3: Planmäßige Start- und Landezeiten zwischen 22:30 Uhr und 22:44 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ im Zeitraum 27.03. – 07.05.2017

Nicht verwunderlich ist, dass bei Flugbewegungen, die nach 22:30 Uhr vorgesehen sind, sowohl die Anzahl als auch der Anteil an Verstößen gegen die (derzeit noch) bestehende Betriebszeit wesentlich ansteigt. Besonders negativ fallen während der bisherigen Laufzeit des Sommerflugplans folgende Fluggesellschaften mit ihren Flugverbindungen auf: Eurowings (EW 7345 und EW 7827), Condor (DE 1449 und DE 1439) sowie Niki (HG 2433 und HG 3265).

Sie vermissen easyJet in dieser Malusliste?

Dies liegt auch daran, dass diese Billigstfluggesellschaft es geschafft hat, dass Teile ihrer Slots auf vor 22 Uhr verlegt wurden. Dies hindert sie aber nicht daran, trotzdem überhäufig erst nach 23 Uhr zu landen – und noch verwerflicher – auch zu starten. Während der bisher sechswöchigen Laufzeit des Sommerflugplans hat es diese Flug“gesellschaft“ fertiggebracht, insbesondere mit ihren Verbindungen EZY 8346, EZY 6932, EZY 2324, EZY 1846 insgesamt 31 Mal das Ende der Betriebszeit zu missachten – davon 21 Mal durch verspätete Starts. Damit stellt dieses Gründungsmitglied der sogenannten Pünktlichkeitsoffensive aktuell die mit Abstand unzuverlässigste Fluggesellschaft am „Helmut Schmidt“-Flughafen dar. Fast scheint es, dass hier Privilegien gegenüber der FHG geltend gemacht werden. Im Jahr 2005 war es easyJet, die das Zeitalter der Billigfliegerei in Hamburg eröffnete …

Abb. 4: Planmäßige Start- und Landezeiten zwischen 22:45 Uhr und 23:00 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ im Zeitraum 27.03. – 07.05.2017 sowie Vergleich der Verspätungsanteile des Sommerflugplans 2016 zu 2017; Betrachtungszeitraum jeweils erste sechs Wochen der Flugplanperiode

Fazit:

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) erhält laut Senatsantwort „zur Ausübung ihrer Aufgaben“ wöchentlich eine Aufstellung der geplanten Flüge von der FHG. Warum wird diese Liste nicht regelmäßig veröffentlicht? Es handelt sich hierbei zweifelsohne um Umweltdaten von hoher Relevanz für die Bevölkerung – siehe Transparenzgesetz.

Die gesetzlich festgeschriebene Aufgabe der BUE mit ihrer Fluglärmschutzbeauftragen ist die Kontrolle und Bekämpfung des Fluglärms. Der sprunghafte Anstieg des Anteils an nächtlich verspäteten Flugbewegungen (Linien- und Touristikflüge) nach 23 Uhr von 4,0 % im Vergleichszeitraum 2016 zu 10,2 % im Jahr 2017 lässt begründete Zweifel daran aufkommen, dass die Aufgabenwahrnehmung bisher von Erfolg gekrönt ist.

Wenn es seitens der Politik mit der „Stärkung des Fluglärmschutzes“ ernst gemeint ist, reicht es nicht aus, an Stellschrauben zu drehen, die kein Gewinde haben – siehe Novellierung der Entgeltordnung. Am Ende des Tages (d.h. dem Beginn der Nacht) hilft allein die Einführung und konsequente Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes in der Zeit von werktags 22 Uhr bis 6 Uhr sowie 22 bis 8 Uhr an Sonn- und Feiertagen, so wie es der BUND-Hamburg in seiner laufenden Volkspetition fordert. Alles andere bedeutet Herumdoktern mit weißen Salben an Symptomen, ohne die eigentlichen Belastungsursachen wirksam zu bekämpfen.