Gute Nacht, „Helmut“ !

Auf dem Papier herrscht in der Bürgerschaft, im regierenden Senat sowie beim Flughafenbetreiber und bei den Fluggesellschaften große Einigkeit dahingehend, dass die Belastungen für die Bevölkerung durch den Betrieb des innerstädtischen Flughafens in Hamburg-Fuhlsbüttel zu reduzieren sind und insbesondere die Nachtruhe zu sichern ist. Um dies der Öffentlichkeit (und vor allem den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern) zu dokumentieren, wurden einvernehmlich der 10-Punkte-Plan (SKA 20/11593), der 16-Punkte-Plan (SKA 20/14334) sowie die sogenannte „Pünktlichkeitsoffensive“ verabschiedet und jeweils medienwirksam präsentiert.

Die Fakten zeigen jedoch genau in die andere Richtung: Das Jahr 2016 war mit einem Lärmteppich von 14 km² das lauteste Flugjahr seit Beginn des Jahrtausends; sowohl die Anzahl an nächtlichen Flugbewegungen nach 22 Uhr mit 7.235 Starts und Landungen (d.h. durchschnittlich 19,8 pro Nacht) als auch die Flugbewegungen außerhalb der offiziellen Betriebszeiten (953 Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr, d.h. durchschnittlich 2,6 pro Nacht) weisen ein Maximum seit mindestens 2011 auf. Der durchschnittliche Lärmteppich je Flugbewegung ist von 2003 mit 139 m² auf 157 m² im Jahr 2016 nahezu kontinuierlich angestiegen. Kurz gesagt: Es wird immer lauter und die Belastungen verschieben sich zunehmend in die besonders sensiblen Nachtzeiten.

Seit November 2016 trägt der Flughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel den Namen „Helmut Schmidt“

Nach Schätzung der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) arbeiten am Standort Fuhlsbüttel ca. 15.000 Menschen. Sie selbst sind mit 705 Arbeitsplätzen am Start und die in Tochtergesellschaften abgeschobenen Bodenverkehrsdienste mit 1.159 (vgl. SKA 21/5270). Hauptarbeitgeber ist mit großem Abstand die Lufthansa Technik AG mit ca. 7.500 zumeist hochqualifizierten Arbeitsplätzen. Dazu kommen dann laut FHG noch knapp 800 Arbeitsplätze bei den Luftfahrtunternehmen (vor allem bei den Fluggesellschaften) sowie 600 behördliche Arbeitsplätze (Polizei, Zoll, u.a.). Unspezifisch unter „andere“ fasst die FHG fast 30 % der Arbeitsplätze (4.194) zusammen. Hier stellt sich direkt die Frage: Was sind dies für Arbeitsplätze und wie stehen diese im Zusammenhang mit dem Luftverkehr im Allgemeinen sowie den Betriebszeiten des Flughafens im Besonderen?

Aus der SKA 20/11143 ist zu entnehmen, dass (abgeleitet über einen mehr als gewagten Quervergleich) angeblich 1.000 Arbeitsplätze am Luftverkehrsstandort in Hamburg-Fuhlsbüttel gefährdet wären, wenn die tägliche Betriebszeit des Flughafens von derzeit 17 Stunden auf dann 16 Stunden reduziert wird. Zumindest die Lufthansa Technik AG, die immerhin jeden zweiten Arbeitsplatz dort stellt, agiert jedoch weitgehend unabhängig von den Flughafen-Betriebszeiten. Die behördlichen Arbeitsplätze stehen ebenso wenig in Frage; auch die der FHG. Bleiben die Arbeitsplätze der Bodenverkehrsdienste, der Fluggesellschaften und die der „Anderen“.

Zu letzteren gehören die Verkäuferinnen und Verkäufer der Einkaufszeile. Beim Blick auf die jeweiligen Öffnungszeiten fällt sofort auf, dass diese überwiegend bereits um 21 Uhr, spätestens jedoch um 22 Uhr enden. Auch diese Arbeitsplätze sind daher durch eine Anpassung der Flughafenbetriebszeiten an die offiziell in Deutschland geltende Nachtruhe nicht in Gefahr. Werden alle optionalen Verluste addiert, bleiben von den 15.000 Arbeitsplätzen nur ca. 250 übrig, die ggf. von einem echten Nachtflugverbot gefährdet sein könnten. Dies entspricht ca. 1,5 % aller Arbeitsplätze am Standort Fuhlsbüttel und betrifft überwiegend den Niedriglohnsektor.

Von einem echten Nachtflugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr unmittelbar profitieren würden die offiziell anerkannten 55.000 in den ausgewiesenen Fluglärmschutzzonen lebenden Menschen. Dazu kommen diejenigen, die zwar außerhalb der bestehenden Schutzzonen, jedoch in den An- und Abflugkorridoren leben. Dies sind zusätzlich ca. 45.000 Bürgerinnen und Bürger. In einer Kosten-/Nutzen-Bilanzierung sind daher der mögliche Verlust von ca. 250 Arbeitsplätzen dem Gewinn an gesunden Lebensjahren (ISEW-Index) von ca. 100.000 Bürgern gegenüber zu stellen. Es ist schlichtweg eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Umweltgerechtigkeit, inwieweit die Gewinnmaximierung einzelner Gewerbetreibender weiterhin über dem Wohl der Allgemeinheit stehen soll?

Start der BUND-Volkspetition zum Nachtflugverbot am Hamburger Flughafen „Helmut Schmidt“ am 01.03.2017

„Nachts ist Ruhe! – Fluglärmgegner in Hamburg holen BUND an ihre Seite“ titelte der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (sh:z) am 2. März anlässlich des Starts der Volkspetition des BUND-Landesverbandes Hamburg zur Einführung eines echten Nachtflugverbotes am Flughafen „Helmut Schmidt“. „Es gibt ein Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, aber kein Recht auf Mobilität zu jeder Tag- und Nachtzeit“, verdeutlicht der BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch den Interessenskonflikt, der eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. „Die Interessen der Lärmbetroffenen werden weiterhin ignoriert“, stellt Martin Mosel, Sprecher der Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) und des länderübergreifenden Arbeitskreises Luftverkehr im BUND, hierzu fest.

Das Hamburger Abendblatt führte in diesem Zusammenhang bereits zwei Leserumfragen Anfang Januar und Ende Februar 2017 durch. In beiden Fällen gab es – bei einer hohen Beteiligung von zusammen 8.076 Teilnehmenden – eine Mehrheit FÜR ein Nachtflugverbot. Dies zeigt, dass Rücksichtnahme und gedeihliches Miteinander den Hamburgerinnen und Hamburgern wichtig ist und dass die Mehrheit Teil der Lösung und nicht des Problems sein möchte.

Fazit:

Die Reduzierung der täglichen Betriebszeit am Flughafen „Helmut Schmidt“ um eine Stunde (d.h. 6 %) stellt ein gleichsam zielführendes wie verhältnismäßiges Instrument dar, um einen nachhaltigen Interessensausgleich zwischen dem Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften einerseits sowie den Betroffenen andererseits zu erreichen.

Unterstützen Sie bitte die BUND-Petition mit Ihrer Unterschrift !