Die Liste an Versuchen von Politik, Verwaltung sowie des kommerziellen Flughafenbetreibers, das am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ bestehende Belastungsübermaß (Fluglärm und Flugdreck) einzudämmen, ist ebenso lang wie erfolglos:
- „10 Punkte-Plan“ der Hamburgischen Bürgerschaft vom April 2014
- „16 Punkte-Plan“ der Hamburgischen Bürgerschaft vom Januar 2015
- „Pünktlichkeitsoffensive“ der Flughafen Hamburg GmbH vom Mai 2016
- Entgeltnovellierung der Flughafen Hamburg GmbH vom Juni 2017
- Gewinnabschöpfungsverfahren der Hamburger Umweltbehörde vom März 2018
- Bearbeitungsgebühr der Hamburger Umweltbehörde vom Juli 2018
- „21 Punkte-Plan“ des Hamburger Senats vom September 2018
- „25 Punkte-Plan“ von Bund, Ländern und Luftverkehrswirtschaft vom Oktober 2018
Die Entwicklung der Anzahl an nächtlich verspäteten Landungen und Starts nach 23 Uhr in diesem Jahr (deutliche Zunahme gegenüber dem Vorjahreszeitraum sowie auch im Vergleich zu 2019) zeigt erneut, dass die Airlines die allzu laxe Auslegung der planfestgestellten Nachtflugbeschränkung am Hamburg Airport billigend in Kauf nehmen. Mittels sogenannter „Genehmigungsfiktion“ (Pauschalgenehmigung) wird seitens der Hamburger Fachbehörden (Umweltbehörde – BUKEA und Wirtschaftsbehörde – BWI) eine angebliche Unvermeidbarkeit der nächtlichen Verspätung angenommen. Ob diese jedoch tatsächlich unvermeidbar ist oder ob es sich um eine bloße Schutzbehauptung der Airlines handelt, bleibt unklar. Schuld an diesem Debakel ist der Hamburger Senat, der sich seit Jahren ziert, den unbestimmten Rechtsbegriff „unvermeidbar“ erschöpfend definieren zu lassen und in der Flughafenbenutzungsordnung rechtsverbindlich zu verankern.
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass Umlaufverspätungen vermeidbar sind, da die Airlines nach einem verspäteten Start frühmorgens noch genügend Zeit haben, im Laufe des Tages bis zur Nachtruhe am Hamburg Airport gegenzusteuern. Da nach Lesart der BUKEA und der BWI (basierend auf Selbstauskünften der Airlines) allerdings 99 % der nächtlichen Verspätungen angeblich „unvermeidbar“ seien, führt dies dazu, dass die Betriebszeit am Hamburg Airport klammheimlich um eine Zuschlagsstunde von 23 Uhr bis 24 Uhr erweitert wird. Sehr zum Leid der vom Fluglärm betroffenen Bürger:innen!
Besonders dreist nutzt das bestehende Regelungsdefizit in diesem Jahr der Billigflieger Marabu aus, bei dem kaum ein Betriebstag vergeht, an dem kein Flieger Verspätungen von mehr als einer Stunde aufweist. Diese Airline gibt einfach eine nahezu beliebige Ankunftszeit am Spätabend für die Flieger aus Heraklion, Rhodos, Korfu, Chania, Malaga oder einer anderen Urlaubsdestination an und erwirbt sich damit einen „Freiflugschein“ noch nach 23 Uhr in Hamburg landen zu können!
Das grobe Missmanagement der Airline ist jedoch vermeidbar, demzufolge ist eine Landung oder ein Start nach 23 Uhr am Hamburg Airport unzulässig. Nach 24 Uhr wurden diese Spätflieger bereits mehrfach am Hamburg Airport durch die BUKEA abgewiesen und mussten anstelle dessen am Hannover Airport landen. Leidtragende waren in diesem Fall die Passagiere.
Eigene Auswertungen (basierend auf Flugdaten des Deutschen Fluglärmdienstes, DFLD e.V.) ergeben, dass acht von zehn nächtlich verspätete Landungen und Starts am Hamburg Airport nach 23 Uhr vermeidbar und damit verbunden unzulässig sind!
Die Forderungen der BAW HH|SH zur Beseitigung der systematischen Minderleistung lauten:
- Die Genehmigungsfiktion (Pauschalgenehmigung) für Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 24 Uhr muss ersatzlos gestrichen werden
- Für Starts und Landungen nach 23 Uhr bedarf es Einzelgenehmigungen. Hierfür muss der Passus „nachweisbar unvermeidbar“ in „nachgewiesenermaßen unvermeidbar“ geändert werden. Die Kriterien der Unvermeidbarkeit sind abschließend zu definieren. Fachliche Grundlage bildet die EU-Fluggastrechteverordnung
Fazit: Acht von zehn nächtlich verspätete Landungen und Starts am Hamburg Airport sind regelwidrig – das muss sich dringend ändern!