Im Grunde genommen sind alle Abgeordneten (w/m) der Hamburger Bürgerschaft der nachhaltigen Fluglärmreduzierung verpflichtet: Im Jahr 2014 wurde einvernehmlich der 10-Punkte-Plan (Drs. 20/11593), ein Jahr später der 16-Punkte-Plan (Drs. 20/14334) beschlossen. Auch im Koalitionsvertrag des regierenden Senats wird der Belastungsreduzierung nennenswert Raum zugeordnet: „Der Flughafen Hamburg muss gerade als großer stadtnaher innerstädtischer Flughafen im Einklang mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern stehen. Hierfür wird der von der Bürgerschaft beschlossene 16-Punkte-Plan konsequent umgesetzt, und es wird permanent nach Möglichkeiten gesucht, den Lärmschutz weiter zu verbessern: Das Lärmkontingent für den Flughafen Fuhlsbüttel ist festgeschrieben und gedeckelt weit im Übermaß erteilt worden. Das Nachtflugverbot gilt (schön wäre es!). Leisere Weniger laute Flugzeuge werden durch (Start- und) Landetarife begünstigt, (sehr) laute und verspätet (startende und) landende Flugzeuge stärker gebühren entgeltbelastet. Alle Belange des Fluglärmschutzes und der Entwicklung des Flughafens sollen zukünftig auch in einer vom Flughafen initiierten Allianz für den Lärmschutz besprochen werden“.
Zusammengesetzt ist diese „Allianz für den Fluglärm(schutz)“ aus Vertretern (w/m) aller betroffenen Interessensgruppen:
- Der/die Fluglärmschutzbeauftragte
- Ein/e Vertreter/in der Landesluftfahrtbehörde
- Jeweils ein/e Vertreter/in der Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft
- Vertreter/innen der Flughafen Hamburg GmbH, davon mindestens ein/e Vertreter/in der Arbeitnehmer/innen
- Vertreter/innen der Fluglärmschutzinitiativen aus der Metropolregion Hamburg
- Vertreter/innen der von Fluglärm betroffenen Landkreise
- Der/die Vorsitzende/r des Airline Operators Committee Hamburg (AOC)
- Der/die Vorsitzende der Fluglärmschutzkommission
- Ein/e Vertreter/in der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS)
- Ein/e Vertreter/in der Handelskammer
- Ein/e Vertreter/in des Unternehmensverbandes Nord
Die Präambel der „Allianz für den Fluglärmschutz“ besagt, dass diese dazu beitragen soll, den Flugverkehr im Einklang mit den Interessen der Fluglärmbetroffenen und den Nutzern zu einem stadtverträglichen Flughafen auszugestalten und Fortschritte im Bereich des aktiven und passiven Fluglärmschutzes zu erzielen. Sie stellt eine Dialogplattform für eine konstruktive Verständigung zwischen den Fluglärmbetroffenen, den Nutzern und den Entscheidungsträgern dar und bietet dazu ein Forum für den Austausch zu Problemen und über Verbesserungsvorschläge. Grundvoraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit in der „Allianz für den Fluglärmschutz“ ist ein offener, ehrlicher und fairer Umgang aller Beteiligten miteinander sowie die transparente Darlegung aller Fakten, die für die effiziente Arbeit der Allianz erforderlich sind.
Kernproblem der „Allianz für Fluglärmschutz“ von Beginn im Juli 2015 an ist, dass Uneinigkeit hinsichtlich ihres inhaltlichen Ziels besteht. Während die Betroffenen eine nachhaltige Belastungsreduzierung fordern, stellen die direkten und indirekten Belastungsverursacher den Fluglärmschutz unter den Vorbehalt der Berücksichtigung – gemeint ist wohl eher des Diktats – ihrer Flughafenentwicklungsziele. Michael Eggenschwiler, Chef der kommerziellen Flughafenbetreibergesellschaft (FHG), strebt 20 Mio. Passagiere in den 2020er Jahren an. Dies würde eine Zusatzbelastung von ca. 30.000 Flugbewegungen im Jahr gegenüber dem Jahr 2016 bedingen, welches nachweislich bereits das lauteste Flugjahr seit Beginn des Jahrtausends am innerstädtisch gelegenen Regionalflughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel darstellt – umfassend nachzulesen im Fluglärmreport des BUND Hamburg.
Abb.: Gretchenfrage – will sich die Flughafen-Haupteigentümerin (Stadt Hamburg) mehr oder weniger Lebensqualität für mindestens 100.000 Bürgerinnen und Bürger im Nahbereich um den Flughafen sowie in den An- und Abflugkorridoren bis an den Stadtrand sowie die angrenzende Metropolregion in Schleswig-Holstein und Niedersachen leisten?
In den vergangenen zwei Jahren hat die „Allianz für Fluglärmschutz“ lediglich vier Mal getagt, das fünfte Aufeinandertreffen von Belastungsverursachern mit den durch ihr Handeln zu Leidtragenden werdenden, ist am 19.06.17. Diese Sitzung droht deshalb zum Debakel zu werden, da vor Kurzem bekannt wurde, dass der Flughafenbetrieb wesentlich erweitert werden soll. Ein Investitionsvolumen von 500 Mio. Euro ist dafür vorgesehen. Das Hamburger Abendblatt (HA) hat hierzu ausführlich berichtet (23.05.17, 24.05.17 sowie 02.06.17). Brisant ist dies auch deshalb, da – entgegen den gemeinsam festgelegten Grundsätzen der Zusammenarbeit – die Betroffenen über die Ausbaupläne vorab nicht informiert wurden, geschweige denn eine öffentliche Beteiligung stattgefunden hat. Der Vorwurf des Flughafenausbaus durch das Verwaltungshinterzimmer steht im Raum.
Noch gesteigert wird die berechtigte Wut der Betroffenen auf die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sowie speziell den Flughafenbetreiber dadurch, dass der nunmehr bekannt gewordene Flughafenausbau voraussichtlich lediglich das Vorspiel für einen noch wesentlich massiveren Eingriff darstellt: Es mehren sich die Anzeichen, dass die bestehenden gekreuzten Start- und Landebahnen (RWY 15/33 und RWY 05/23) derart umgebaut werden sollen, dass ein räumlich und zeitlich unabhängiger Zweibahnenbetrieb möglich wird. Dies würde zu einer immensen Zusatzbelastung der bereits jetzt im Übermaß betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg und Schleswig-Holstein führen.
Abb.: Mögliches Szenario der Flughafenerweiterung – Verlängerung der Start- und Landebahn RWY15/33 nach Nordwesten sowie der RWY05/23 nach Südwesten. Durch die Entkreuzung erhöht sich die maximale Flugbewegungskapazität pro Stunde um ca. 30 %. Mehr Flugbewegungen bedeuten noch mehr Lärm und Dreck.
Auffällig ist, dass es keinerlei Dementi auf die Berichterstattung gab. Weder vom Flughafenbetreiber noch von der Wirtschafts- oder der Umweltbehörde; auch nicht vom regierenden Senat. Der Fraktionsvorsitzende der Hamburger SPD, Andreas Dressel, betont dagegen im HA am 15.06.17, dass die (aus seiner Sicht) notwendige Entwicklung des Flughafens nicht eingeschränkt werden soll. Dem ist entgegenzuhalten, dass die kurzfristige Lustbefriedigung der Spaßgesellschaft in den Billigfliegern mit Sicherheit nicht als notwendig anzusehen ist – ganz im Gegenteil zum Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm (Hinweis: vermeidbarer Fluglärm ist unzumutbar). Mittlerweile werden am Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ mehr als die Hälfte der Flugbewegungen durch Billigflieger generiert!
Es gibt kein Recht auf Billigflüge, jedoch eines auf körperliche und seelische Unversehrtheit!