Flughafenerweiterung durch die Verwaltungshintertür

Die Entwicklung am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ hinsichtlich der relevanten Fluglärm-Belastungsparameter ist erschütternd:

  • Der Fluglärmteppich, d.h. die räumliche Ausbreitung der 62 dB(A)-Leq3-Dauerschallisophone, hat sich von 2003 bis 2016 um 25 % vergrößert
  • Der Anteil weniger lauter Flugzeuge (Klasse 1 und 2) ist in den vergangenen 10 Jahren von 31 % auf 16 % gesunken
  • Ein Überflug war vor knapp eineinhalb Jahrzehnten im Mittel 11,5 % leiser als heute
  • Die Anzahl an nächtlichen Flugbewegungen ist seit 2011 nahezu kontinuierlich um insgesamt 40 % gestiegen
  • Die Anzahl an nächtlichen Flugbewegungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit hat seit 2011 um 33 % zugenommen
  • Im Jahr 2016 wurde in 292 Nächten den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vom Fluglärm der Schlaf geraubt, nur in 74 Nächten fanden nachweislich keine Flugbewegungen nach 23 Uhr statt; d.h. in vier von fünf Nächten fand das offizielle (derzeit noch bestehende) Betriebsende von 23 Uhr keine Beachtung
  • Drei von vier verspätete Landungen und Starts nach 23 Uhr werden (vorsätzlich) durch Billigflieger generiert
  • Der Anteil an traditionellen Fluggesellschaften (sog. Full Service Carrier) ist seit 2006 von ehemals 83,7 % auf nur noch 45,8 % im Jahr 2016 zurückgegangen. Mehr als die Hälfte des Fluglärms und Flugdrecks wird mittlerweile durch Billigflieger mit ihren prekären Geschäftsmodellen verursacht; Hamburg entwickelt sich im freien Fall zum Ramschflughafen.

In einer Gemeinschaft, in der Empathie und Mitgefühl keine bloßen Worthüllen darstellen, ist es eine einfache Abwägungsfrage: Soll die Gier nach Billigflügen der Generation „Spaßgesellschaft“ grenzenlos bedient oder die körperliche und seelische Unversehrtheit der Bewohnerinnen und Bewohner in den An- und Abflugschneisen geschützt werden? Zumindest für einen Teil der Hamburger Prominenz in Politik und Verwaltung stellt sich diese Frage offensichtlich nicht; warum eigentlich?

Abb.: Der Betrieb eines innerstädtischen Flughafens inmitten einer dicht besiedelten Metropolregion bedingt die umfassende Rücksichtnahme auf die vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowohl im Nahbereich um den Flughafen als auch in den An- und Abflugkorridoren bis weit in das Umland hinaus – alles andere ist hochgradig unsozial.

Mit der Nachricht „Hamburger Flughafen bekommt 27 neue Gates“ des Hamburger Abendblattes (HA) vom 24.05.17 zerstob die letzte Hoffnung der vom Fluglärm und Flugdreck geplagten Bevölkerung in Hamburg und Schleswig-Holstein auf ein gedeihliches Miteinander mit den direkten und indirekten Belastungsverursachern. Es wird auch nicht besser, wenn die Sprecherin der Hamburger Wirtschaftsbehörde (BWVI), Susanne Meinecke, behauptet, dass es durch die neuen Pierpositionen keine Kapazitätsausweitung und keine zusätzlichen Flugbewegungen gäbe und nur der Abfertigungskomfort erhöht werden soll. Wer investiert 500 Mio. Euro, nur damit die „Servicequalität im Wettbewerb“ steigt?

In der HA-Ausgabe vom 26.05.17 kommen zum Thema dann die Hamburger Bürgerschaftsparteien zu Wort:

Stephan Jersch (DIE LINKE) setzt ein deutliches Zeichen indem er darauf verweist, dass Hamburg einst Umwelthauptstadt Europas war. Heutzutage würde dagegen im sogenannten Luftreinhalteplan dem Flugverkehr sogar ein Plus der Stickoxid-Emissionen gegenüber 2013 um 50 Prozent zugebilligt. Obwohl fast keiner der 16 Punkte aus dem Programm gegen Fluglärm abgearbeitet sei und sich vieles sogar verschlechtert habe, „kommt der Senat nun daher und geht ohne Folgeabwägung einen massiven weiteren Ausbau des Flughafens an – eine Umweltverträglichkeitsprüfung und die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Umweltverbände wären das Mindeste gewesen.“

Anjes Tjarks (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) meint hingegen, dass die 2013 genehmigten Maßnahmen mit zwölf zusätzlichen Gates nicht automatisch zu mehr Flügen führen, sondern dass sie in erster Linie das Boarding erleichtern, indem sie die Busse ersetzen. In einer größer werdenden Stadt habe ein Flughafen das Interesse besser und effizienter zu werden – das müsse aber in Einklang gebracht werden mit den berechtigten Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner, sowie der Umwelt. Dafür brauche es zukünftig Verfahren, in denen alle Parteien beteiligt werden, um zu einem Ausgleich zu kommen. Die Allianz gegen den Fluglärm sei hierfür ein guter Anfang. Für die Grünen sei es ein Ziel, die Lärmentwicklung am Flughafen mittelfristig zu deckeln; so könne seiner Ansicht nach die Gesundheit der Menschen in der Umgebung des Flughafens effektiv geschützt werden.

Andreas Dressel (SPD) ist weiterhin der Auffassung, dass der Terminalausbau nicht zu mehr Lärm führen, dafür aber für mehr Service sorgen wird. „Dass mehr Flüge bequem direkt an den Gates abgefertigt werden können, ist heutzutage nicht nur selbstverständlich, sondern hat auch ökologische Vorteile, weil es Vorfeldverkehre reduziert.“ Die SPD werde diese – aus ihrer Sicht – rechtmäßig genehmigten Planungen in den politischen Gremien konstruktiv und wohlwollend begleiten. Ein Widerspruch zu den Anstrengungen für besseren Lärmschutz besteht seiner Ansicht nach ausdrücklich nicht. Ihm ist wichtig, den Flughafen stadtverträglich weiterzuentwickeln und dabei die Mobilitäts- wie auch die Lärmschutzbedürfnisse der Bürger aus der Metropolregion gleichermaßen im Blick zu halten. Beim Thema Lärmschutz sieht er ein Vorankommen darin, dass im nächsten Monat eine neue Gebührenregelung in Kraft tritt, mit der späte und laute Flieger stärker zur Kasse gebeten werden. Dieser Weg soll – gemeinsam mit der Allianz für den Fluglärmschutz und den dort vertretenen Fluglärmschutzinitiativen – konsequent weiter gegangen werden.

Michael Westenberger (CDU) begrüßt die Ausbaupläne, fordert aber eine bessere Informationspolitik gegenüber den Anwohnern. „Grundsätzlich ist eine Verbesserung des Services erfreulich; dass viele Fluggäste immer noch mit dem Bus über das Rollfeld fahren müssen, entspricht nicht dem gewünschten Standard, ist lästig und kostet schlussendlich auch Zeit.“ Weiterhin meint er, dass ein funktionierender Flughafen mit hohen Servicestandards für eine Wirtschaftsmetropole wie Hamburg essenziell sei – aus CDU-Sicht wäre es aber wünschenswert, dass die Anrainer des Flughafens künftig über notwendige Baumaßnahmen informiert werden würden.

Michael Kruse (FDP) behauptet, dass die Umweltschützer des BUND mit ihrer Kritik „ganz bewusst Streit mit falschen Schlussfolgerungen geschürt“ hätten. Durch die neuen Gates entstehe seiner Überzeugung nach keine einzige zusätzliche Flugbewegung. Auch die Kritik des BUND am beschleunigten Verfahren könne er nicht nachvollziehen. „Es sollte in Deutschland Normalität werden, dass öffentliche Infrastrukturausbauten in angemessener Zeit geplant und realisiert werden.“ Hinsichtlich der Belastung durch den Flughafen betont er, dass sich diese „innerhalb des Lärmkontingents“ bewege. „Wir müssen sehr genau beobachten, ob die neu eingeführten Strafzahlungen für verspätete Landungen nach 22 Uhr greifen. Falls dies nicht der Fall ist, muss über eine weitere Verschärfung der Strafen nachgedacht werden.“

Detlef Ehlebracht (AfD) meint zu wissen, dass die Anzahl der Starts und Landungen zuletzt trotz wachsender Passagierzahlen leicht rückläufig gewesen sei. „Grund dafür seien größere Flugzeugtypen und die bessere Auslastung derselben“. Insofern ist es für ihn schlüssig, die Abfertigung der Flugzeuge am Boden zu verbessern und den Komfort für die Passagiere durch zusätzliche Fluggastbrücken zu erhöhen.“ Aus seiner Sicht müsse der Hamburger Flughafen den Fluggästen im Wettbewerb mit anderen Anbietern ein attraktives Angebot bieten. Das „Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung“, wie es hier praktiziert wurde, werde von der AfD ausdrücklich begrüßt, dient es ihrer Ansicht nach doch dazu, die sonst häufig aufgrund europäischer Vorschriften ausufernde Bürokratie zu begrenzen. Die AfD wolle hier nicht nach noch mehr Vorschriften rufen.

Dass mit den obigen Aussagen in Teilen auch eine Menge fachliche Unkenntnis und blinde Wirtschaftshörigkeit zu Markte getragen wird, wird den Leserinnen und Lesern des NoFlyHAM-Blogs direkt auffallen. Siehe hierzu exemplarisch:

Abb.: Scheinbar hat niemand die Absicht den Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ auszubauen, oder doch? – Derzeit gibt es 17 Kontaktpositionen, ca. 22 Bus-Gates und ca. 53 Flugzeugpositionen. Der Koordinationseckwert, d.h. die Anzahl an maximalen Starts und Landungen pro Stunde, liegt bei 48. Darf es zukünftig von Allem etwas mehr sein?

Der Leiter des genehmigenden Bezirksamtes, Harald Rösler, weist jegliche Kritik von sich. Er sei im Sinne des Bezirks, in dem der Flughafen liege, natürlich „hochgradig interessiert“ an den Informationen aus erster Hand, die er im Aufsichtsrat der Flughafenbetreibergesellschaft bekomme. Natürlich begleite er als Bezirksamtsleiter die Modernisierung den Ausbau „wohlwollend.“ Der Bau neuer Gates oder einer Gepäckanlage habe aus seiner Sicht nichts mit dem Thema Fluglärm zu tun. In seiner Funktion bei der Fluglärmkommission gehe es ihm, wie in den anderen Funktionen auch, immer darum, die Belastung für die Menschen so gering wie möglich zu halten. Denn eines sei auch klar: „Der Flughafen darf kein überbordender Störfaktor werden.“ – Jedoch: Er ist es längst!

Fazit:

Da beantragt das Aufsichtsratsmitglied der kommerziellen Flughafenbetreibergesellschaft Harald Rösler beim Bezirksamtsleiter Harald Rösler den Bau von 27 neuen Abfertigungsgates am innerstädtisch gelegenen Hamburger Flughafen. Dieser bittet dann den Vorsitzenden der Fluglärmschutzkommission (FLSK), Herrn Harald Rösler, um eine fachliche Einschätzung, ob durch den Ausbau mit zusätzlichen Belastungen für die Bevölkerung zu rechnen ist. Dieser verneint knapp, woraufhin der Bezirksamtsleiter freudig dem Aufsichtsratsmitglied verkündet: „Das ziehen wir glatt“.

Die Interessen der Haupteigentümerin des „Helmut-Schmidt-Airports“, die der Stadt Hamburg, werden alleinig durch die wirtschaftslastige Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) vertreten. Formal angesiedelt ist diese in der Hamburger Wirtschaftsbehörde. Diese ist wiederum gleichzeitig antragstellende, genehmigende und kontrollierende Fachbehörde für die Flughafenerweiterung. Da wird dann schnell aus einem planfeststellungpflichtigen Vorgang mit umfassender Umweltverträglichkeitsprüfung eine schlichte Plangenehmigung. „Alles aus einer Hand“, wie man in der Hamburger Verwaltung gerne zu sagen pflegt, bekommt durch diesen Vorgang eine neue Bedeutung. Die vom Fluglärm selber weitgehend verschonten Politiker üben sich derweil in verstärktem Zweckoptimismus. Etwas mehr Bürgerbeteiligung Informationsabende sollte es geben; ansonsten gilt weiter die Devise: Wachsen ohne Weitsicht.

Das alles noch als bloße „Hamburgensie“ abzutun ist unzureichend; vielmehr sollte von „Fuhlsbüttelgate“ gesprochen werden.