Maß und Übermaß

In Hamburg belasten diverse Lärmtypen jeweils Teile der Bevölkerung; Straßen- und Schienenlärm, Fluglärm, (Hafen-)Industrielärm und Eventlärm sind herausragend zu nennen. Bezüglich des Fluglärms ist festzuhalten, dass acht von zehn Hamburgerinnen und Hamburger den Flughafen in Fuhlsbüttel nutzen, ohne selbst von den Negativfolgen des Flughafenbetriebes betroffen zu sein. Dies führt dazu, dass das Fluglärmproblem seitens der zuständigen Fachbehörden sowie der politischen Entscheidungsträger über Jahrzehnte als weniger dringlich erachtet wurde. Erst in den vergangenen Jahren hat ein Umdenken begonnen: Im Koalitionsvertrag des regierenden Senats wurde dem Thema „Reduzierung des Fluglärms“ ein deutliches Gewicht beigemessen. Ein Ergebnis stellt das Fluglärmschutzbeauftragtengesetz aus dem Jahr 2016 dar.

Die über die Verwaltung und Politik angestrebten Belastungsreduzierungen finden allerdings bisher leider weitgehend nur auf dem Papier statt. Obwohl sich die relevanten Lärmparameter in den vergangenen Jahren deutlich in die falsche Richtung entwickeln, wird hier nur halbherzig gegengesteuert (vgl. Fluglärmkennwerte 2016). Schlimmer noch: Am Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ wird weiterhin allein auf quantitatives Wachstum gesetzt. Alljährliche Zuwachsraten beim Passagiertransport von fast einer Million sind Zeugnis davon. Insbesondere die Fehlentwicklungen hinsichtlich der Überhand nehmenden Billigfliegeranteile fallen negativ ins Gewicht. Die Betroffenen sind nicht länger bereit, dies klaglos hinzunehmen:

Abb.: Protest gegen den überbordenden Fluglärm am Hamburger Flughafen „Helmut Schmidt“

Der Begriff „Lärm“ stammt von „Alarm“, welches auf das italienische „all’arme“ zurückgeht. Als Lärm werden Geräusche (Schall) bezeichnet, die durch ihre Struktur (Lautstärke und Frequenz) auf die belebte Umwelt (Menschen, Tiere) belastend bis gesundheitsschädigend wirken. Unter Umweltverschmutzung wird die Belastung des natürlichen Lebensumfelds des Menschen bezeichnet. Im Vordergrund steht die Umweltbelastung mit Abfällen bzw. Emissionen stofflicher und nichtstofflicher Art. Lärm stellt eine nichtstoffliche Umweltverschmutzung dar.

Unter Umweltgerechtigkeit ist der nachhaltige Ausgleich verschiedener Interessenslagen im Schnittfeld von Umwelt-, Sozial- und Gesundheitspolitik zu verstehen. Im Zentrum steht die Frage wie es einer Gesellschaft gelingt, dass einzelne soziale Gruppen nicht im Übermaß Umweltbelastungen ausgesetzt werden. Als Maß der Umweltgerechtigkeit kann der Index des nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstands (Index of Sustainable Economic Welfare – ISEW) bzw. der Indikator echten Fortschritts (Genuine Progress Indicator – GPI) dienen. Der GPI bemisst, ob ein (betriebs-)wirtschaftliches Wachstum tatsächlich zu steigendem Wohlstand und Wohlbefinden führt oder ob das Wachstum zu Lasten Dritter geht. Ein geringer GPI besagt in diesem Zusammenhang, dass durch offene oder verdeckte externe Kosten wie Umweltschäden oder abnehmende Gesundheit ein Übermaß an produzierten Waren sowie Dienstleistungen vorliegt.

In Hamburg leben nach offiziellen Angaben ca. 55.000 Menschen in den ausgewiesenen Fluglärmschutzzonen. In diesen Wohnbereichen erhalten die Anwohner unter bestimmten Rahmenbedingungen einen Zuschuss für passive Lärmschutzmaßnahmen (z.B. Fenster, Belüftung), mehr nicht. Aktive Lärmminderungsmaßnahmen (d.h. Maßnahmen, die geeignet sind, den Lärm am Entstehungsort zu reduzieren) – denen deutlich Vorzug gegenüber passiven zu geben sind – finden dagegen kaum Anwendung. Anstelle dessen wird Ablasshandel seitens des Zustandsstörers (Flughafen Hamburg GmbH) und der Handlungsstörer (Fluggesellschaften) betrieben.

Außerhalb der Fluglärmschutzzonen wohnen weitere ca. 45.000 Menschen, die einem fluglärmbedingten Dauerschallpegel von mindestens 50 dB(A) ausgesetzt sind. Wird ein fluglärmbedingter Dauerschallpegel von 42,5 dB(A) als Bemessungsgrundlage herangezogen – dies ist die Wirkschwelle bei der ca. 25 % der Befragten anführen, dass sie der Fluglärm sehr stört – sind in Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen ca. 250.000 Menschen vom Betrieb des „Helmut Schmidt“-Flughafens betroffen. Insbesondere die vielfache Störung der Nachtruhe fällt hierbei negativ ins Gewicht.

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht. Der wissenschaftliche Ursprung der Nachhaltigkeit liegt in der Waldwirtschaft. Dort stellte sich frühzeitig die Frage nach einem langfristig angelegten verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource „Baum“, bei dem nicht mehr verbraucht (abgeholzt) werden darf, als jeweils nachwachsen – sich eigenständig regenerieren – kann.

Abb.: Schnittmengenlehre – Wege zur Nachhaltigkeit

Die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist überschrieben mit dem Slogan „Der Weg in eine enkelgerechte Zukunft“, womit ein Sinnbild für eine ausgeprägt vorsorgende Welt, in der unser Handeln die Chancen der nachfolgenden Generationen nicht mindert, dargestellt wird.

Bezogen auf den Betrieb des innerstätisch gelegenen Flughafens in Hamburg-Fuhlsbüttel, bedeutet eine nachhaltige Fluglärmreduzierung, dass diese gleichsam ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte beachtet. Finden verträgliche, verhältnismäßige und gerechte Abwägungen der unterschiedlichen Interessen statt, entspricht das Ergebnis dem Ansatz der Nachhaltigkeit. Das seit Jahren durch die Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH) praktizierte Wachstumsdiktat widerspricht diesen Vorgaben massiv!

Fazit:

Flugverkehr stellt eine der größten Umweltbelastungen weltweit dar. Neben dem Anheizen des Klimawandels und dem Ausstoß von Luftschadstoffen verantwortet der Flugverkehr über seine Lärmemissionen einen unmittelbaren Eingriff in die Lebensqualität vieler Menschen. Lärmbedingte Erkrankungen sind im Umfeld von Flughäfen sowie im Bereich der Start- und Landekorridore signifikant erhöht.

Der Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“ wird auf Dauer nur eine weitere Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen, wenn es ein faires Miteinander von Flugbetrieb und Betroffenen gibt. Die Reduzierung der täglichen Betriebszeit um eine Stunde (d.h. 6 %) stellt ein gleichsam zielführendes wie verhältnismäßiges Instrument dar, um einen nachhaltigen Interessensausgleich zwischen dem Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften einerseits sowie den Betroffenen andererseits zu erreichen.

Fair geht vor !