Fehlzeiten

„Es gibt ein Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, aber kein Recht auf Mobilität zu jeder Tag- und Nachtzeit“, bringt es der BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch anlässlich des Beginns der Volkspetition zur Einführung eines echten Nachtflugverbotes am innerstädtisch gelegenen Regionalflughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel auf den Punkt. Die Flughafen Hamburg GmbH (FHG) bestätigt die besondere Verantwortung, die die Lage des Flughafengeländes sowie der An- und Abflugkorridore inmitten einer dicht besiedelten Metropolregion bedingt: „Mit strengen Nachtflugbeschränkungen wird die Hamburger Bevölkerung vor Fluglärm geschützt.

Nur bei nachweislich unvermeidbaren Verspätungen können im gewerblichen Luftverkehr einzelne Flüge bis 24 Uhr abgewickelt werden. Im gesamten Jahr 2015 mussten durchschnittlich ein bis zwei Maschinen pro Tag Nacht von dieser sogenannten Verspätungsregel Gebrauch machen“ heißt es auf der Internetseite der FHG.

Durchschnittlich „nur“ ein bis zwei Flugbewegungen? Wie fänden Sie es, wenn Sie jede Nacht ein- bis zweimal aus dem Schlaf gerissen werden? Außerdem: „Ein bis zwei“ heißt mathematisch betrachtet 1,5. Auf ein Jahr hochgerechtet ergeben sich hieraus knapp 550 fluglärmbedingte Störungen der Nachtruhe – weit mehr als gesundheitlich verträglich. Noch gravierender: Fakt ist, dass im vergangenen Jahr sogar 953 Flugbewegungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr des Folgetages stattgefunden haben. Dies sind 74 % mehr als von der FHG angegeben!

Abb.: Anzahl an Flugbewegungen im Zeitraum 23 Uhr bis 24 Uhr sowie 0 Uhr bis 6 Uhr in den Jahren 2011 – 2016

Im Artikel des Hamburger Abendblattes (HA) Zahl der Flüge zwischen 23 und 24 Uhr sinkt – 19 Maschinen landeten im Februar verspätet, weniger als im Januar und in den Vorjahren von Michael Schick vom 17.03.17 werden ungeprüft Angaben des Flughafenbetreibers (FHG) übernommen. Es beginnt damit, dass nur der Zeitraum zwischen 23 Uhr und 24 Uhr benannt wird. Dies erweckt den falschen Eindruck, dass nach Mitternacht keine weiteren Flugbewegungen stattgefunden haben.

Der Versuch, die Anzahl der Nachtflüge dadurch zu verharmlosen, dass diese in Relation zur Anzahl aller Flugbewegungen des gesamten Monats gesetzt werden, zeigt das ungenügende Problembewusstsein. Flugspurenauswertungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD e.V.) sowie TraVis belegen, dass es im Februar 2017 in 15 von 28 Nächten Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr des Folgetages gegeben hat. Hieraus folgt, dass anstelle der im HA-Artikel behaupteten 17 Nächte lediglich in 13 Nächten „fluglärmfrei“ herrschte. Dies bedeutet, dass mehr als jede zweite Nacht die Betroffenen zwangsbelärmt wurden!

Die Differenz erklärt sich beim Blick auf den Wortlaut „keine Linien- und Touristikflüge“: Es ist unsachgemäß, die Betrachtung auf Linien- und Touristikflüge zu beschränken und weitere, in ihrer Lärmauswirkung für die Betroffenen nicht weniger belastenden Flugbewegungen (z.B. Frachtflüge, Leerflüge, private Charterflüge, hoheitliche Flüge (Militär, Polizei), medizinische Hilfsflüge, Privatflüge) schlank zu übergehen, ohne einen entsprechenden Hinweis darauf zu geben. Hier wird seitens des Hamburger Abendblattes aktiv ein falscher Belastungseindruck den Lesern gegenüber vermittelt!

Die kritiklose „pro Flughafen“-Berichterstattung hat – zumindest im Wirtschaftsteil des Hamburger Abendblattes – System. Zuletzt gab es eine Kostprobe beim Interview mit Michael Eggenschwiler (Chef der Flughafen-Betreibergesellschaft) vom 07.03.17. Auch hier wurden die Aussagen, dass „von November bis Ende Februar die Zahl der verspäteten Flüge um 13 Prozent gesunken sei – im Februar hätte es an 17 von 28 Tagen keine einzige Landung nach 23 Uhr gegeben“ von den HA-Redakteuren Wolfgang Horch und Volker Mester ungeprüft übernommen. Dabei handelt es sich hierbei bestenfalls um „alternative Fakten“. Tatsache hingegen ist, dass es im angesprochenen Zeitraum folgende Flugbewegungen pro Nacht (Starts und Landungen) gegeben hat:

Tab.: Anzahl der nächtlichen Flugbewegungen ab 23 Uhr am „Helmut Schmidt“-Flughafen in den Monaten November 2016 bis Februar 2017 (Quelle: DFLD e.V. und TraVis)

Monat / Jahr

Anzahl Verteilung

November 2016

26

16 vor 24 Uhr und 10 nach 0 Uhr

Dezember 2016

36

32 vor 24 Uhr und 4 nach 0 Uhr

Januar 2017

67

53 vor 24 Uhr und 14 nach 0 Uhr

Februar 2017 34

24 vor 24 Uhr und 10 nach 0 Uhr

Mithin ist eine Steigerung der nächtlichen Flugbewegungen von November 2016 bis Februar 2017 um 31 % festzustellen und nicht wie von Herrn Eggenschwiler behauptet, eine Belastungsreduzierung um 13 %!

Ebenso ist die Aussage von Herrn Eggenschwiler, dass „es an 17 von 28 Tagen keine Landungen nach 23 Uhr gab“ mindestens grob irreführend. Hier unterschlägt er wissentlich die i.d.R. lauteren (und besser vermeidbaren) Starts sowie die nächtlichen Flugbewegungen im Zeitraum zwischen 0 Uhr und 6 Uhr des Folgetages. Nachweislich fanden lediglich an 13 von 28 Tagen keine nächtlichen Flugbewegungen statt (s.o.). Damit liegt die Einhaltungsquote der Betriebszeit am „Helmut Schmidt“-Flughafen in diesem Zeitraum deutlich unterhalb von 50 Prozent und das Regel-/Ausnahmeverhältnis steht weiterhin Kopf!