Mailand oder Madrid? – Hauptsache Italien!

Auf die Große Anfrage der Partei „DIE LINKE“ (FHH-Drs. 21/8526) zum Thema „Nachhaltiger Tourismus“ vom 25. April 2017 antwortet der regierende Hamburger rot-grüne Senat, dass „Nachhaltigkeit“ sowohl unter wirtschaftlichen als auch ökologischen und sozialen Aspekten zu verstehen ist – so weit so gut.

Im Zusammenhang mit dem kommerziellen Betrieb des „Helmut Schmidt-Airports“ weist der Senat darauf hin, dass 2/3 der Flugreisen privater Natur sind, d.h. in der Freizeit (und weit überwiegend mit Billigfliegern) vollzogen werden. Hierbei spiele das „wachsende Mobilitätsbedürfnis“ (angeblich) eine entscheidende Rolle.

Mobilitätsbedürfnis?

Ein Bedürfnis hat eine intrinsische (d.h. sich selbst generierende) Relevanz. Beispiele hierfür sind Hunger, Durst und Müdigkeit. Hieraus entstehen die Bedürfnisse zu essen, zu trinken und zu schlafen. Im Gegensatz dazu ist das bloße Interesse an etwas zu sehen. Dieses wird gesteuert durch eine individuelle Veranlagung in Kombination mit gesellschaftlicher Prägung und maßgeblich gelenkt durch äußere Stimulationen (z.B. Werbung, Preisgestaltung).

Es ist daher keinwachsendes Mobilitätsbedürfnis“, sondern das preisgetriebene Mobilitätsinteresse einer zunehmend eventorientierten Gesellschaft, welches am „Helmut Schmidt-Airport“ kurzfristig befriedigt wird. Dies stellt einen entscheidenden Unterschied dar – insbesondere bei der Bewertung im Hinblick auf die Annahme der BUND-Volkspetition zur Einführung eines echten Nachtflugverbotes (werktags von 22 Uhr bis 6 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 22 Uhr bis 8 Uhr).

Abb.: Einigkeit macht stark. Am 19. September 2017 übergab der länderübergreifende Arbeitskreis „Luftverkehr“ des BUND-Hamburg die gesammelten Unterschriften der Volkspetition „Nachts ist Ruhe – Fair für alle, gut für Hamburg“. Eingebunden waren Bürgerinitiativen und Vereine aus Hamburg und Schleswig-Holstein, die sich gleichsam gegen die überbordenden Luftverkehrsbelastungen – verursacht durch den Betrieb des Verkehrsflughafens in Hamburg-Fuhlsbüttel – stemmen. Nach Auszählung durch das zuständige Altonaer Bezirksamt wurden 12.697 der abgegebenen 14.435 Unterschriften anerkannt. An dieser Stelle der Dank auch an die zahlreichen Schleswig-Holsteiner (w/i/m), die die Volkspetition mitgezeichnet haben, deren Stimmen jedoch offiziell nicht gezählt wurden. Der Fluglärm ist zwar Landesgrenzen überschreitend, die Volkspetition hingegen nicht

 

Das nachfolgende Fazit richtet sich an den am 28. November 2017 zur BUND-Volkspetition und zur Umsetzung des sogenannten 16-Punkte-Plans tagenden Umweltausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft:

Lebensräume werden nicht nur durch Beton und Chemikalien zerstört, sondern auch durch Lärm. Fluglärm raubt den Betroffenen gesunde Lebensjahre, Fluglärm lässt Kinder schlechter lernen, Fluglärm mindert den Wert des Eigentums. Fluglärm spaltet die Gesellschaft in die Masse der Nutznießer und die Minderheit der Leidtragenden; ein Durchbrechen des Fluglärm-Trilemmas erscheint (auf den ersten und zweiten Blick) unmöglich.

Am Beispiel des (politisch geprägten und lobbygesteuerten) Volksentscheides zum Fortbetrieb des Verkehrsflughafens in Berlin-Tegel, zeigt sich, dass es für die vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürger schwer ist, angemessen auszudrücken, was der permanente Raub der Stille bedeutet; insbesondere gegenüber denjenigen, die häufig gerne billig hin- und herfliegen, jedoch selbst nicht unter der zumeist sinnarmen privaten Vielfliegerei zu leiden haben.

Mittlerweile ist „Blind Booking“ das Instrument der Wahl, um den letzten Sitzplatz noch kurzfristig an den Mann und die Frau zu verschachern. Das Flugziel erfahren die Kunden erst nach der Buchung. Auf diese Weise verkommt ein ggf. im Ansatz bestehendes Mobilitätsbedürfnis zu einem kurzfristigen preisgetriebenen Mobilitätsinteresse – zu Lasten Dritter. „Nix wie weg egal wohin“, ist das zunehmende Motto.

In Deutschland besteht jedoch eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums; die Freie und Hansestadt Hamburg ist Mehrheitseigentümerin der Flughafenbetreibergesellschaft. Der Gebrauch ihres Eigentums darf daher dem Gemeinwohl nicht nur nicht zuwiderlaufen, es muss ihm zugutekommen. Zielloses Hin- und Herfliegen gehört mit Sicherheit nicht zum Gemeinwohl – ganz im Gegensatz zur körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger in den An- und Abflugschneisen!

Sehr geehrte Damen und Herren des Umweltausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft: Kommen Sie Ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl nach und stimmen Sie FÜR einen fairen Interessensausgleich zwischen Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften einerseits und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern andererseits. Es hat sich überdeutlich gezeigt, dass die bisherige Verspätungsregelung missbräuchlich zur Gewinnmaximierung (aus-)genutzt wird. Daher bedarf es der Einführung und Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes.

Eine Kürzung der täglichen Betriebszeit um eine Stunde von derzeit 17 auf zukünftig 16 Stunden (d.h. um lediglich 6 %) stellt ein gleichsam zielführendes wie verhältnismäßiges Mittel dar. Eine Gefahr hinsichtlich des Abbaus von Arbeitsplätzen in einem größeren Umfang ist – entgegen den Behauptungen der Betreibergesellschaft und der Luftverkehrslobby – nicht zu befürchten (vgl. NoFlyHAM-Beitrag „Gute Nacht, Helmut“). Auf der anderen Seite stehen die Gesundheit und das Wohlergehen von ca. 100.000 Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg und Schleswig-Holstein!