Luftverschmutzung, nur so zum Spaß !

In Hamburg sterben jährlich ca. 1.400 Menschen vorzeitig, da die Luftbelastung mit Schwefeldioxid, Feinstaub und krebserregendem Ruß zu hoch ist, davon ist Malte Siegert vom Naturschutzbund Hamburg (NABU) überzeugt. Zusammen mit Manfred Braasch vom Hamburger Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) weist Herr Siegert im Hamburger Abendblatt (HA) vom 09.06.17 auf den unzureichenden Schutz der Bevölkerung vor krankmachenden Feinstäuben und Stickoxidkonzentrationen hin. Bereits am 21.05.17 war im HA zu lesen, dass die Umweltschützer den behördlichen Umgang mit der Luftbelastung scharf kritisieren.

Mit der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa gibt die Europäische Union (EU) verbindliche Luftqualitätsziele vor. Die inhaltlichen und formalen Vorgaben dieser Richtlinie wurden mittels Bundes-­Immissionsschutzgesetz (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV) in deutsches Recht umgesetzt. In der 39. BImSchV sind alle Grenz- und Zielwerte für Luftschadstoffe aufgeführt, die von den Ländern und Kommunen eingehalten werden müssen.

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) ist nach der Geschäftsverteilung des Senates die oberste Immissionsschutzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und daher zuständig für die Planung der Luftreinhaltung des Stadtstaates. Sie erstellt Luftreinhaltepläne mit Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass sich etwaige Maßnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und entsprechend des Verursacheranteils gegen alle Emittenten richten.

Quelle: Airbus A330 im Endanflug über Maho Beach von Aldo Bidini (http://jetphotos.net/viewphoto.php?id=5908899&nseq=51, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16488761)

Luftbelastung als Event – Laut FHG sind die meisten Nutzer (69 %) des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens zwischen 25 und 54 Jahren alt. Sie fliegen durchschnittlich vier Mal im Jahr (29 % sogar sechs bis mehr als 20 Mal) von Hamburg aus irgendwo hin. Zwei von drei Trips haben einen privaten Anlass (z.B. Urlaub, Kurzreise, Städtetour, Bekannte treffen).

Stickoxide

Stickoxide, Stickstoffoxide und nitrose Gase sind Sammelbezeichnungen für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Gemeinsam werden sie mit NOx abgekürzt, da es aufgrund der vielen Oxidationsstufen des Stickstoffs mehrere Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen gibt. Eine der Hauptquellen für Stickoxide in der Atmosphäre sind Abgase, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen. Stickoxide – insbesondere Stickstoffdioxid – reizen und schädigen die Atmungsorgane. Erhöhte NOx-Konzentrationen in der Atemluft haben einen negativen Effekt auf die Lungenfunktion von Kindern und Erwachsenen. Bodennahe Stickoxide sind beim sogenannten Sommersmog hauptverantwortlich für die schädigende Ozonbildung (O3).

Zu den mit der NOx-Belastung verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen liegen zahlreiche bevölkerungsbezogene Studien vor: Bereits ein kurzfristiger Anstieg der NO2-Belastung geht mit einer Zunahme der krankheitsbedingten Sterbefälle einher. Laut WHO erhöht sich die Sterblichkeit mit Zunahme der NO2-Belastung in einer Größenordnung von 0,3 % pro 10 µg NO2 je Kubikmeter (m³) Luft. Ein Schwellenwert konnte nicht ausgemacht werden. Langfristige Belastungen mit NO2 stehen ebenfalls mit einer höheren krankheitsbedingten Sterblichkeit in Beziehung. Diese fällt deutlicher aus als bei NO2-Kurzzeitbelastungen und basiert vor allem auf Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauferkrankungen. Nach Aussage der WHO treten krankheitsbedingte Sterbefälle etwa 5 % häufiger auf, wenn die NO2-Belastung um 10 µg/m³ im Jahresmittel ansteigt.

Der gesetzlich vorgegebene Grenzwert der Stickstoffdioxid-Konzentration in der Umgebungsluft von maximal 40 µg NO2/m3 (Jahresmittelwert) wird in Hamburg seit Jahren überschritten. Nach dem Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts (9 K 1280/13) vom 05.11.2014 ist die Stadt verpflichtet, „den derzeit gültigen Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswertes für NO2 von 40 µg/m³ enthält.“ Das Urteil ist seit dem 17.04.2015 rechtskräftig.

Flugverkehrsbedingte Luftverschmutzung

Der Luftverkehr selbst, wie auch der Betrieb eines Flughafens, ist mit Emissionen von Luftschadstoffen verbunden. Die Emissionsmengen aller startenden und landenden Flugzeuge im sogenannten LTO-­Zyklus (Landing and Take-Off) bis zu einer Höhe von 3.000 ft (915 m) zählen zum direkten Wirkungsbereich des Flughafens. Die restlichen 95 % der Wegstrecke – und damit verbunden der ausgestoßenen Luftschadstoffe – werden ausgeblendet.

Zusätzlich zu dem LTO-bedingten Schadstoffausstoß werden der Flughafenbilanz die flugverkehrsbedingten Vorgänge am Boden wie Wartezeiten an den Startbahnköpfen, Rollbewegungen auf Taxiwegen und Rollgassen sowie die Nutzung der integrierten Generatoren zum Start der Triebwerke (Auxiliary Power Unit – APU) zugerechnet.

In der vorliegenden zweiten Fortschreibung des Hamburger Luftreinhalteplans vom 30.06.17 werden die vom Betrieb des Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“ ausgehenden Emissionsmengen für das Jahr 2014 vom Flughafenbetreiber (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) auf Grundlage eines Simulationsprogramms (LASPORT) berechnet. Berücksichtigt wurden dabei sämtliche bodennahe Flugzeugbewegungen im LTO-Zyklus (Endanflug, Landung, Rollen, Start, erste Steigflugphase) nach Größenklassen und Wartezeiten.

Für das Jahr 2014 wird auf diese Weise – basierend auf 139.876 gewerblichen und 14.552 nicht gewerblichen Flugbewegungen – dem direkten und indirekten Flugverkehr ein Ausstoß von 442 t NOx zugeordnet. Auffällig ist, dass im Vergleich zum Entwurf des Hamburger Luftreinhalteplans vom 05.05.17 die Bemessungshöhe des LTO-Zyklus von 300 m auf 915 m mehr als verdreifacht wurde, ohne dass sich die Angabe des entsprechenden Schadstoffausstoßes verändert hat.

Für das Jahr 2020 wird im Luftreinhalteplan – basierend auf 151.000 gewerblichen und 15.000 nicht gewerblichen Flugbewegungen – ein Ausstoß von 525 t NOx prognostiziert. Dies entspricht einem Zuwachs an krankmachendem NOx von knapp 20 %. Für das Jahr 2025 wird dann allerdings keine weitere Steigerung des Schadstoffausstoßes mehr angenommen. Ganz im Gegenteil zur Entwurfsfassung: Hier wurden noch 689 t NOx als Prognosewert für 2025 ausgewiesen. Unter Zugrundelegung eines mittleren Schadstoffausstoßes von 3,28 kg NOx je Flugbewegungen lässt sich hieraus eine Anzahl von 210.000 Flugbewegungen pro Jahr (davon 192.000 gewerbliche und 18.000 nicht gewerbliche) ableiten.

Warum in der Finalfassung die Prognosezahlen für das Jahr 2025 „weggelassen“ wurden, liegt auf der Hand: Eine Steigerung des luftverkehrsbedingten Schadstoffausstoßes innerhalb eines Jahrzehnts von 56 % steht einer Stadt, die einst Umwelthauptstadt Europas war und nunmehr mit einer eigenen Nachhaltigkeitsagenda für die Vereinten Nationen (HA, 03.07.17) auftrumpfen möchte, sehr schlecht zu Gesicht.

Das „Geschmäckle“ wird noch größer, wenn die Betreiberzahlen auf ihre inhaltliche Belastbarkeit geprüft werden. Bereits beim Blick in das Literaturverzeichnis stockt man über das dem Luftverkehr zugeordneten Zitat: „Platzhalter“ ist dort schlicht zu lesen. Auch in den Vorgängerplänen (2004, 2012) wurde an dieser Stelle wenig Sorgfalt an den Tag gelegt.

Der Deutsche Fluglärmdienst (DFLD e.V.) erfasst zusätzlich zu den flugverkehrsbedingten Lärmbelastungen auch die damit einher gehenden Schadstoffausstöße (Flugdreck). Anhand der bekannten Anzahl an Flugbewegungen und des eingesetzten Fluggerätes werden monatsweise die verbrannte Kerosinmenge, die Summe der Treibhausgase, der Kohlendioxid und -monoxid-Ausstoß, sowie die Kohlenwasserstoff– und die Stickoxid-Emissionen aufgelistet. Für das dem Luftreinhalteplan als „Ist-Zustand“ zugrunde gelegte Bemessungsjahr 2014 hat der DFLD einen flugverkehrsbedingten NOx-Ausstoß von 613 t ausgewiesen. Im Gegensatz zum Flughafenbetreiber, der auf Basis einer numerischen Simulation auf lediglich 442 t NOx kommt! Für die Jahre 2016 und 2017 werden durch den DFLD nochmals deutliche flugverkehrsbedingte Emissionssteigerungen am „Helmut Schmidt“-Flughafen festgestellt. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass zum Jahresende 2017 der ursprüngliche BUE-Prognosewert für das Jahr 2025 (!) von 689 t NOx überschritten wird. Damit wird deutlich, dass die im Luftreinhalteplan dargestellte flugverkehrsbedingte NOx-Belastung wesentlich zu gering abgebildet wird.

Abb.: Luftverkehrsbedingter NOx-Ausstoß am Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2013 bis 2017

Fazit:

Der Betreiber des Hamburger Verkehrsflughafens rühmt sich damit, dass von nirgendwo anders in Deutschland Mann und Frau so billig kreuz und quer durch Europa (und ein paar Ziele darüber hinaus) fliegen kann (HA, 10.11.15). Von einzelnen Politikern (HA, 18.07.17) wird absurder Weise versucht, Fliegen in die Nähe eines Grundrechtes zu heben. Die Kehrseite der Medaille (flugverkehrsbedingter Lärm und Dreck) wird allzu gerne ausgeklammert; „Spaß muss sein.

Hamburg hat seit Jahren ein massives Luftstickoxidproblem. Hieran sterben Menschen. Der Flugverkehr trägt dazu (stetig zunehmend) bei. Anstatt jedoch maßregelnd auf den luftverkehrsbedingten Schadstoffausstoß einzuwirken – so wie es der Luftreinhalteplan vorschreibt – werden die Wachstumsgelüste der Betreibergesellschaft grenzenlos bedient. Damit die Zahlen nicht allzu erschreckend daherkommen, wird einfach der Prognosezeitraum halbiert und am Rechner zielführend simuliert …

Bei der Buchung einer Flugreise trifft der Passagier eine maßgebliche Entscheidung. Mit der ungezügelten Befriedigung des „Mobilitätsbedürfnisses“ werden die Gesundheit des Einzelnen (s.o.) und das Wohlergehen des gesamten Planeten (Stichwort: Klimawandel) unwiderruflich geschädigt. Ein Hin- und Rückflug vom Hamburg-Fuhlsbüttel (HAM) nach Palma de Mallorca (PMI) belastet die Umwelt pro Passagier (!) mit durchschnittlich 1.156 – 1.226 kg CO2. Dies entspricht der Hälfte des klimaverträglichen Jahresbudgets eines Menschen. Die Süddeutsche Zeitung (SZ, 14.07.17) bringt in diesem Zusammenhang das zu Tage tretende Spaßgesellschafts-Motto auf den Punkt: „Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry!