Allerheiligen

Hamburger Pilot fliegt Emirates-Airbus A380 nach Hause“, titelte das Hamburger Abendblatt (HA) am 22. Oktober 2018 – noch pathetischer geht es kaum. Dass laut HA der „Mega-Jumbo in Hamburg einschweben wird“, stellt einen Euphemismus dar. Im (Standard-) Anflug wirken bei diesem übergroßen Passagierflugzeug in einer Entfernung von 2 km vom Aufsetzpunkt und einer Restflughöhe von 120 m auf ein Empfängerohr am Boden zehn Sekunden lang mindestens 98 Dezibel ein. Ein derartiger Lärm wird im Allgemeinen als unerträglich wahrgenommen …

Abb. 1: Festum Omnium Sanctorum (Allerheiligen) – Ein religiöses Fest, zu dem aller christlichen Heiligen gedacht wird, der „verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind“. Nach entsprechender Prüfung erklärt der Papst, dass für die katholische Kirche die Gewissheit besteht, dass ein Verstorbener sich in der seligmachenden Gottesschau befinde und deswegen als Heiliger bezeichnet werden darf und als solcher verehrt werden soll. Voraussetzung dafür ist entweder das Erleiden des Martyriums oder der Nachweis eines heroischen Tugendgrads des Betreffenden. Bei Kandidaten, die keine Märtyrer waren, wird zudem der Nachweis eines Wunders gefordert. Eine Stufe kleiner als die Heiligsprechung (Kanonisation) ist die Seligsprechung (Beatifikation). Heutzutage wird der Ankunft eines Großflugzeuges (A380) gehuldigt, als ob es einen seligmachenden Status hätte. So ändern sich die Zeiten …

Zur Aufnahme des Emirates-Linienflugbetriebes mit einem A380 von Dubai nach Hamburg-Fuhlsbüttel am 29. Oktober 2018 beantwortet sich das HA selbst gestellte Fragen: Wann wird das Flugzeug in Hamburg zu sehen sein? Wie häufig war das Flugzeug schon zu Besuch? Wie hat sich der Flughafenbetreiber „auf die Niederkunft“ vorbereitet? Was kostet der Spaß und wie bequem habe ich es dann? Wie viel „Lokalkolorit“ steckt im Flugzeug – zusätzlich zum Piloten (s.o.)? Daneben werden noch Kennwerte zur Länge, Breite, Höhe, Startgewicht und Sitzaufteilung angeboten. Konkrete Fragen und Antworten zur Umweltbelastung (z.B. Lärmemission, Kerosinverbrauch, Schadstoffausstoß, Klimabilanz) sucht man/frau vergebens. Einzig der Hinweis auf die Wirbelschleppenproblematik ist zu finden.

Abb. 2: Bloßer Imageschaden oder Konzern-Katastrophe: Der seit 2007 kommerziell vertriebene vierstrahlige Tiefdecker Airbus A380 ist das bisher größte in Serienfertigung produzierte zivile Verkehrsflugzeug. Der (am Markt kaum erzielbare) Listenpreis für einen Airbus A380-800 beträgt 445,6 Mio. US-Dollar. Gebrauchte Exemplare sind bereits für „nur“ 150 – 210 Mio. US-Dollar erhältlich. Mehr als ein Drittel der Entwicklungskosten des Airbus A380 von 12 Milliarden Euro wurde aus Steuergeldern finanziert. Bisher wurden weltweit lediglich 240 Exemplare ausgeliefert – viel mehr werden es bis zum Produktionsende wohl auch nicht werden. Dank der sehr großzügigen finanziellen Unterstützung bei der Entwicklung durch die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger wird die Konzern-Gewinnschwelle voraussichtlich dann trotzdem erreicht werden. Bei Start und Landung sind die Wirbelschleppen, die der A380 erzeugt, derart groß, dass eine Erhöhung des erforderlichen Mindestabstands bei der Staffelung nachfolgender Flugzeuge gegenüber dem geltenden ICAO-Abstand um zwei bis vier nautische Meilen (d.h. ca. 3,7 bis 7,4 Kilometer) notwendig ist. Der A380 stellt aufgrund seiner Abmessungen ein sogenanntes Code-F-Luftfahrzeug dar, welches nach ICAO eine Start- und Landebahnbreite von mindestens 75 Meter benötigt. Am innerstädtisch gelegenen Hamburger Code-E-Verkehrsflughafen beträgt die Pistenbreite jedoch „nur“ 46 Meter (zuzüglich befestigter Randbereiche von jeweils 7,50 m). Damit dieses Flugzeug trotz seiner dinosaurierartigen Ausmaße überhaupt am „Helmut Schmidt-Airport“ verkehren kann, war es erforderlich, zusätzlich die Grünstreifen neben den befestigten Start- und Landebahnen mit Kunstharz zu fixieren. Warum Kunstharz? – Damit dies (bei schräger Betrachtungsweise) nicht als Erweiterung der Flughafeninfrastruktur zu werten ist. Ein Taschenspielertrick, um ein förmliches Planfeststellungsverfahren (inkl. Umweltverträglichkeitsprüfung) zu umgehen. So etwas ist nur durchsetzbar, wenn die Genehmigungs- und „Kontroll“behörde (BWVI) Hand in Hand mit der Mehrheitseigentümerin der Flughafenbetreibergesellschaft (FHH/HGV) zielgerichtet agiert. Photo: Wikimedia.org, Von Steevie, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68141950)

Aus der Hofberichterstattung des HA vom 30. Oktober 2018 erfahren die geneigte Leserin und der geneigte Leser, dass beim Start des Emirates-Fluges „EK059“ Wüstenhitze mit 31 °C herrschte, bei der Landung eine kostenlose Flugzeugwäsche spendiert wurde und die Plainspötter mit ihren Teleobjektiven an der falschen Stelle standen. Außerdem wird mitgeteilt, dass der Pilot des Hamburger-A380-Jungfern-Linienfluges, Hauke Smid (geboren in Hamburg-Eppendorf, seit Jahren wohnhaft in Dubai) fast weinen musste, als er erfuhr, dass er „nach Hause“ fliegen darf.

Das Übermaß an Ignoranz übt jedoch Hamburgs Erster Bürgermeister, Dr. med. Peter Tschentscher, aus, der sich in der These versteift, dass die kostenlosen Kitaplätze in seiner Stadt dem Luftverkehr – und damit verbunden auch der regelmäßigen A380-Niederkunft – zu verdanken sind. Dass Fluglärm nachgewiesenermaßen der Lernentwicklung und Gesundheit von Kindern schadet, interessiert den Doktor der Medizin nicht. Ebenso wenig wie ihn tangiert, dass seinen Punkteplänen zur Flugverkehrsregulierung kaum einer Glauben schenken mag. Neun von zehn befragten Personen sind der Überzeugung, dass derartige „Bemühungen“ keine Belastungsreduzierung bewirken

Eine mess- und spürbare Belastungsreduzierung ist jedoch dringlicher denn je: Am 26. Oktober 2018 wurde für den Frankfurter Verkehrsflughafen (FRA) die 1.000ste Missachtung gegen die dortige Nachtflugbeschränkung vermeldet. Diese „magische Verspätungszahl“ – ausgerufen vom Chef des Hamburger Flughafenbetreibers, Michael Eggenschwiler – wurde in Hamburg (HAM) bereits einen Monat früher, in der Nacht des 28. Septembers 2018 überschritten (vgl. NoFlyHAM-Blogbeitrag „Büchse der Pandora“).

Wenn dann noch bedacht wird, dass es am FRA im vergangenen Jahr mit 475.537 Starts und Landungen knapp drei Mal so viele Flugbewegungen wie am HAM (n = 159.780) gegeben hat, wird überdeutlich, wie mies die diesbezügliche „Performance“ in Hamburg ist; d.h. wie schlecht der Hamburger Flughafen geleitet wird und wie schwach die Einhaltung der über die Betriebsgenehmigung festgeschriebenen Schutzbestimmungen für die Bevölkerung (Nachtflugbeschränkung und Bahnbenutzungsregelung) ist!

Es bleibt daher abzuwarten, wie der derzeit oberste Stadtlenker seine haltlose Aussage den vom überbordenden Fluglärm und Flugdreck betroffenen Wählerinnen und Wählern in seinen anstehenden Bürgergesprächen versucht zu verkaufen.

Fazit: Der Betrieb des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“ – inmitten einer dicht besiedelten Metropolregion – bedingt die umfassende Rücksichtnahme auf die vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowohl im Nahbereich um den Flughafen als auch in den An- und Abflugschneisen bis weit in das Umland hinaus! Mit den nunmehr tagtäglich bzw. allnächtlich startenden und landenden A380-Großflugzeugen wird genau das Gegenteil praktiziert. Ein weiterer Schritt weg von einem angestrebten bürgerverträglichen Stadtflughafen!

P.S.: Die maximale Tankkapazität eines A380-800 beträgt 320.000 l Kerosin. Dies reicht (inkl. vorgeschriebener Notreserve) für maximal 15.200 km. Demnach beträgt der Verbrauch (vereinfacht nach Adam Ries) ca. 20 Liter pro Kilometer. Ein Hin- und Rückflug von Hamburg-Fuhlsbüttel nach Dubai mit einem A380 in der Business-Klasse verursacht einen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) von 4.140 kg pro Passagier! Dies entspricht dem ca. 1,8 fachen des jährlichen CO2-Ausstoßes eines klimabewussten Menschen. Oder anders ausgedrückt: Anstelle einer einwöchigen Spaßreise nach Dubai könnten Sie zwei Jahre mit ihrem Mittelklassewagen fahren, um einen gleichgroßen Klimaabdruck zu erzeugen.

1. Nachtrag: Die Zukunft des weltgrößten Passagierjets Airbus A380 steht ein Jahr nach der vorläufigen Rettung laut Insidern wieder auf der Kippe. Die größte A380-Kundin, die arabische Fluggesellschaft Emirates, wolle ihre jüngste Bestellung über 20 Maschinen ganz oder teilweise auf den kleineren Langstreckenjet A350 umschreiben.

(Volksstimme vom 31.01.19, Weserkurier vom 01.02.19)

2. Nachtrag: Das Ende des „A 380“ naht – Die Negativnachrichten über den Riesen-Airbus A380 reißen nicht ab: Jetzt springt nicht nur die australische Fluglinie Qantas ab, sondern will offenbar auch noch bei der Konkurrenz bestellen. Auch Anleger sind betroffen. Der Abnehmer Qatar Airways weint dem Flieger keine Träne nach – weil er zu schwer und zu teuer sei.

(SZ vom 08.02.19, DW vom 07.02.19 sowie Spiegel vom 06.02.19)

3. Nachtrag: Airbus gibt den A380 auf – Der Airbus-Konzern beendet die Produktion des Riesenjets A380. Die letzte Auslieferung sei für 2021 geplant, teilte der Flugzeugbauer am Donnerstag in Toulouse mit. Nachdem die arabische Fluggesellschaft Emirates ihre Bestellung reduziert habe, gebe es keine Grundlage mehr für eine Fortsetzung des Prestige-Projektes.

(NDR vom 14.02.19)

4. Nachtrag: Chronik einer angekündigten Konzernkatastrophe oder bloß eine sehr teure „Fußnote der Fliegerei“? Airbus A380 – Vom Hoffnungsträger zum Auslaufmodell (HA vom 18.02.19); Wie ein Kabelsalat beim A380 Airbus viele Milliarden Euro kostete (HA vom 19.02.19); Keine Aufträge – der A380 wird verschrottet (HA vom 23.02.19); Aus für den A380 (HA vom 14.02.19); Großmannssucht A380 (Airliners vom 28.02.19)

5. Nachtrag: Bundesregierung könnte auf A380-Darlehen sitzenbleiben. Nach dem A380-Produktionsstopp hat Airbus in Deutschland über eine halbe Milliarde Euro an Darlehen noch nicht zurückbezahlt (Airliners vom 04.03.19); (FAZ vom 13.03.19)