Bedingter Vorsatz

Der bedingte Vorsatz (Eventualvorsatz) ist eine Form des strafrechtlichen Tatbestandsvorsatzes. Hierbei hält der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes ernsthaft für möglich, ignoriert jedoch bewusst das Risiko. Abzugrenzen ist der bedingte Vorsatz von der Verschuldensform der bewussten (groben) Fahrlässigkeit. Bei der bewussten Fahrlässigkeit kennt der Täter ebenfalls die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung, rechnet aber glaubhaft nicht damit, dass sie eintreten wird. Beim Eventualvorsatz nimmt der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes dagegen wider besseres Wissen billigend in Kauf (vgl. Ernstnahme-, Wahrscheinlichkeits-, Risiko-, Gleichgültigkeitstheorie (Wikipedia)).

Bezüglich der permanenten Missachtungen der Nachtflugbeschränkung am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ ist in den meisten Fällen von Eventualvorsatz der Fluggesellschaften mit ihren Piloten auszugehen, da bereits beim Start „in Irgendwo“ feststeht, dass die 23 Uhr-Grenze in Hamburg nicht zu halten sein wird. Mangelhafte Umlaufplanung ist vermeidbar. Hier sind Dispatcher gefragt, die sich nicht allein der Gewinnmaximierung ergeben, sondern die regionalen Schutzbestimmungen für die Bevölkerung umfassend beachten.

Abb. 1: Tageweise Auflistung der Einhaltung der Nachtflugbeschränkung (23 Uhr bis 06 Uhr) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Monaten Januar bis Juli 2018

Abbildung 1 listet die nächteweise (Nicht-)Einhaltung der Nachtflugbeschränkung am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen in den Monaten Januar bis Juli 2018 auf. Rot unterlegte Felder markieren eine Nacht, in der nach offiziellem Betriebsende, d.h. nach 23 Uhr, noch Starts oder Landungen durch Linien- oder Touristikflieger stattgefunden haben. Ein gelb unterlegtes Feld markiert eine Nacht, in der nach 23 Uhr noch Flugbewegungen durch „sonstige Flüge“ stattfanden. Hierzu zählen: Überführungs- / Leerflüge, Frachtflüge, Privatflüge, Militärflüge, Polizeiflüge, Regierungsflüge, Rettungsflüge. Ein grün unterlegtes Feld markiert eine Nacht, in der die Nachtflugbeschränkung am „Helmut Schmidt-Airport“ eingehalten wurde, d.h. keine Flugbewegung nach 23 Uhr stattgefunden hat. Befindet sich in den Feldern zusätzlich ein schwarzer Punkt, bedeutet dies, dass es mindestens noch einen Start oder eine Landung eines Linien- oder Touristikfliegers nach 24 Uhr gegeben hat. Handelt es sich um einen ungefüllten Punkt, markiert dies eine Nacht, in der es mindestens einen „sonstigen Flug“ nach Mitternacht gab.

Von den bisher 212 Nächten des Jahres 2018 (Stand: 31. Juli) wurde am „Helmut Schmidt-Airport“ lediglich in 29 Nächten die seit Jahrzehnten bestehende Nachtflugbeschränkung eingehalten. Dies entspricht einem minimalen Einhaltungsgrad von nur 13,7 %. Anders ausgedrückt: Lediglich in jeder siebten Nacht hat es keine flugverkehrsbedingte Störung der Nachtruhe nach 23 Uhr gegeben! Dagegen fanden in 177 von 212 Nächten (d.h. 83,5 % der Nächte) noch Starts und Landungen durch Linien- und Touristikflieger nach Betriebsende statt. Dazu kommen noch 6 Nächte (2,8 %), in denen zwar kein Linien- und Touristikflieger die Nachtruhe zerrissen hat, jedoch ein „sonstiger Flug“. In 11 Nächten des Betrachtungszeitraumes donnerten die Linien- und Touristikflieger sogar noch nach Mitternacht. Außerdem gab es in 21 Nächten „sonstige Flüge“ zwischen 24 Uhr und 06 Uhr.

Im April 2014 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft einvernehmlich (d.h. über alle Parteigrenzen hinweg) den sogenannten 10-Punkte-Plan zur Fluglärm-Belastungsreduzierung; bereits ein knappes Jahr später (Januar 2015) folgte der erweiterte 16-Punkte-Plan. Nochmals ein Jahr später, im Mai 2016, unterzeichneten der kommerzielle Flughafenbetreiber (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) mit mehreren Fluggesellschaften die sogenannte „Pünktlichkeitsoffensive“. Diese besagt, dass zum Schutz der „Anwohner“ – d.h. der Bürgerinnen und Bürger in den An- und Abflugschneisen sowie im Flughafennahbereich – die Nachtflugbeschränkung streng eingehalten werden soll, um die Bewohner (w/i/m) bestmöglich vor Fluglärm zu schützen. Im Juni 2017 wurde dann die FHG-Entgeltordnung novelliert, mit dem Ziel, (zu) späte und (zu) laute Flieger monetär stärker zu belasten. Seit dem Juli 2018 erhebt die Hamburger Umweltbehörde zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr für Starts und Landungen nach 23 Uhr. Da die erforderliche Kontrolle der (angeblichen) Unvermeidbarkeit einer Flugbewegung außerhalb der offiziellen Betriebszeit sehr zeit- und personalintensiv ist, sind die hierfür veranschlagten 500,- Euro angemessen. Ein Beleg für die Notwendigkeit der Kontrollen ist die Gewinnabschöpfung bei penetranten Regelmissachtern.

Es stellt sich die Frage, wie sich die Anzahl an nächtlich verspäteten Starts und Landungen am „Helmut Schmidt-Airport“ seit 2014 im Vergleich zu den Vorjahren (2011 – 2013) entwickelt hat; d.h. ob und wie die oben aufgeführten Instrumente und Maßnahmen die ihnen zugeschriebene Schutzwirkung für die Bevölkerung entfaltet haben:

Abb. 2: Summenkurven (kumulierte Monatswerte) verspäteter Nachtflüge von Linien- und Touristikflügen außerhalb der offiziellen Betriebszeit am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2018

Der in der 21. Legislaturperiode regierende rot-grüne Senat der Hamburgischen Bürgerschaft hat eine Verwaltungskennzahl von maximal 550 Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit, d.h. zwischen 23 Uhr und 06 Uhr, festgeschrieben. Aus Sicht der Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) liegt dieser Wert deutlich zu hoch, zumal er in den Jahren 2011 und 2013 bereits unterschritten wurde – d.h. als wenig ambitioniert anzusehen ist. Als Toleranzgrenze sieht die BAW eine Anzahl von maximal 330 Starts und Landungen pro Jahr außerhalb der offiziellen Betriebszeit und als Relevanzschwelle maximal 120 Starts und Landungen in diesem Zeitraum an.

Abbildung 2 verdeutlich auf eindringliche Weise, dass das Belastungsausmaß – verursacht durch nächtlich verspätete Flugbewegungen – in den vergangenen fünf Jahren (ausgehend von einem ohnehin zu hohen Niveau) dramatisch weiter zugenommen hat. Fanden im Jahr 2013 „nur“ 451 Starts und Landungen von Linien- und Touristikfliegern zwischen 23 Uhr und 06 Uhr statt, hat sich diese Anzahl Jahr für Jahr bis zuletzt (d.h. in 2017) auf 1.060 weit mehr als verdoppelt. Und im laufenden Jahr setzt sich die Belastungszunahme weiter fort. Mit bisher 761 nächtlich verspäteten Starts und Landungen nach Betriebszeitende wurde die entsprechende Gesamtzahl der Jahre 2011 – 2015 bereits nach 58 % des Jahres überschritten. Zum 31.07.18 betrug die „Überzeichnung“ der Senats-Belastungskennzahl (s.o.) somit das 2,4-fache. Deutlich wird, dass diese Kennzahl immer früher im Jahr gerissen wird: 2014 = November, 2015 = September, 2016 = August, 2017 = Juli, 2018 = Juni.

Außerdem ist zu erkennen, dass die Sommermonate weit überdurchschnittlich stark zum Jahresaufkommen der nächtlich verspäteten Flugbewegungen beitragen. Die Zuwachsraten sind in diesen Monaten am größten. Ein Beleg dafür, dass in dieser Zeit das gesamte Flugverkehrssystem in Europa überlastet ist (vgl. Stellungnahmen zum Flugverkehrs-Verspätungsdebakel der DFS, GdF und EUROCONTROL). In diesem Zusammenhang wird jedoch allzu gern verdrängt, dass jede Fluggesellschaft und jeder Flughafenbetreiber, welche(r) auf grenzenloses quantitatives Wachstum setzt, selbst Teil des Problems ist und die Überlastung mit ihrem/seinem Handeln weiter befeuert.

Fazit:

Entgegen der insbesondere seitens der politischen Vertreterinnen und Vertreter vielfach getätigten Zusagen im Hinblick auf eine spür- und messbare Belastungsreduzierung aber auch der diesbezüglichen Aussagen der Verwaltungsspitzen (BUE, BWVI) hat sich das Ausmaß der nächtlich verspäteten Starts und Landungen nach 23 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen in den vergangenen Jahren maßgeblich weiter verschlechtert. Eine Einhaltung der Nachtflugbeschränkung lediglich in jeder siebten Nacht ist ein Skandal!

Aufgrund der Kombination aus dem verbreiteten Geschäftsmodell der Gewinnmaximierung der Fluggesellschaften, der geringen Regel-Beachtungsquote und der Belastungsentwicklung über die Jahre ist bei den nächtlichen Flugverspätungen zumeist von bedingtem Vorsatz auszugehen (s.o.). Anstatt bei der Umlaufplanung mehr Pufferzeiten für etwaige Störungen des Betriebsablaufes einzuplanen, nehmen die Fluggesellschaften die nächtlich verspätete Ankunft bzw. den nächtlich verspäteten Start am „Helmut Schmidt-Airport“ billigend in Kauf. Das unverschämte Handeln des Fluglobbyverbandes „BDL (inkl. des FHG-Chefs Michael Eggenschwiler), dennoch den aus ihrer Sicht „grenzenlosen Flugverkehr“ weiterhin zu propagieren und als Maßnahme gegen das Verspätungsdebakel einfach die (angeblich) starren Betriebszeiten an den Flughäfen (noch weiter) abschwächen zu wollen (vgl. HA vom 04.08.18), verhöhnt die vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Mit dem NoFlyHAM-Blogbeitrag „Wege zur Belastungsreduzierung“ werden dagegen gleichsam zielführende und verhältnismäßige Schutzmaßnahmen zum Wohl der Allgemeinheit aufgezeigt und im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit (d.h. ihre mittel- bis langfristige ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Verträglichkeit) geprüft: (1) Einführung und Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes (werktags von 22 Uhr bis 06 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 22 Uhr bis 08 Uhr); (2) Umsetzung der Empfehlungen der Hamburger Fluglärmschutzkommission (FLSK) zur Eindämmung der Anzahl an Starts und Landungen außerhalb der Betriebszeit nach 23 Uhr; (3) Eindeutige Festsetzung des Kriteriums „Unvermeidbarkeit“ bei den Verspätungen sowie Entzug der „Pauschalgenehmigung“ zugunsten von Einzelfallentscheidungen; (4) Einbeziehung der externen Umweltkosten bei der Entgeltfestsetzung. Was die betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Flughafennahbereich sowie in den An- und Abflugschneisen nicht gebrauchen können sind: (1) Neue Prüfaufträge; (2) freiwillige Selbstbeschränkungen; (3) weitere Punktepläne.

P.S.: Welche Fluggesellschaften mit welchen Flugstrecken am „Helmut Schmidt-Airport“ das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine gesicherte Nachtruhe in hinreichender Quantität und Qualität in den An- und Abflugschneisen sowie im Flughafennahbereich am massivsten verletzen, folgt im kommenden NoFlyHAM-Blogbeitrag „Malusflieger Sommer 2018“ in Kürze …