Aus gutem Grund gibt es in Deutschland die allgemeine Nachtruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr. Diese Vorgabe gewährleistet der Bevölkerung die Möglichkeit auf gesunderhaltenden Schlaf in hinreichender Dauer und Tiefe. Mangelhafter Schlaf erhöht die Wahrscheinlichkeit menschlichen Versagens, die Fehlerhäufigkeit (z.B. im Beruf, Verkehr, Haushalt) nimmt drastisch zu. Andauernder Schlafentzug führt zu schwereren Symptomen wie Apathie, Depressionen und Somnolenz.
Abb. 1: Das Gemälde „An der Schwelle zur Ewigkeit“ von Vincent Willem van Gogh (1890) mag Symbol für die Verzweiflung und Ohnmacht der vom überbordenden Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den An- und Abflugschneisen sowie im Flughafennahbereich des „Helmut Schmidt-Airports“ sein. Ihr Bedürfnis nach Ruhe wird den Gelüsten der Spaßgesellschaft und der grenzenlosen Gewinnsucht der Fluggesellschaften und des Flughafenbetreibers seitens der Verantwortungsträger (w/i/m) in Politik und Verwaltung preisgegeben – entgegen vielfachen, anderslautenden Beteuerungen
Mit einer fadenscheinigen Begründung („Hamburg liegt so weit im Norden, da sind die Flugwege aus dem Süden länger“) wurde am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen das offizielle Betriebsende auf 23 Uhr festgelegt – als ob die Menschen im Norden weniger Schlaf bräuchten. Zu allem Übel gibt es dann auch noch eine Verlängerungsklausel, die aufgrund ihrer inhaltlichen und formalen Unbestimmtheit dem (systematischen) Missbrauch Tür und Tor öffnet: Bei „nachweisbar unvermeidbaren Verspätungen“ dürfen sogar noch Starts und Landungen bis Mitternacht durchgeführt werden. Alles pauschal „geregelt“ mittels Genehmigungsfiktion. Kein Wunder, dass als Folge dieses massiven Regelungsmissstandes im laufenden Jahr in sechs von sieben Nächten das offizielle Betriebsende am „Helmut Schmidt-Airport“ nicht eingehalten wurde (vgl. NoFlyHAM-Blogbeitrag „Bedingter Vorsatz“).
Nun zu der spannenden Frage, wer es am „Helmut Schmidt-Airport“ bezüglich der Missachtung der Nachtflugbeschränkung tolldreist treibt: Im Jahr 2016 waren die Malusflieger Germanwings und Air Berlin (Stichwort: der Regelbruch steht vor der Pleite). Im vergangenen Jahr (2017) haben sich easyJet und Eurowings am wenigsten an die 23 Uhr-Grenze gehalten. Nachfolgend die (vorläufige) Auswertung für den laufenden Sommerflugplan 2018:
Abb. 2: Rangliste der unzuverlässigsten Fluggesellschaften bzgl. der Einhaltung der Nachtflugbeschränkung am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Jahr 2018
Im laufenden Jahr führt die Rangliste der unzuverlässigsten Fluggesellschaften bezüglich der Einhaltung der Nachtflugbeschränkung mit großem Abstand die überfressene verfressene Airline „Eurowings“ an. Hier gilt: Gier frisst Anstand. Jede dritte Missachtung der Nachtflugbeschränkung geht aktuell auf die Kappe dieser Billigairline. Insgesamt sind es im Auswertungszeitraum (01.01. – 31.07.2018) mehr Landungen und Starts nach 23 Uhr (n = 236) als Nächte (n = 212)! Dies ist umso gravierender, als dass Eurowings zu den Erstunterzeichnern der sogenannten „Pünktlichkeitsoffensive“ von Flughafenbetreiber und mehreren Fluggesellschaften gehört. Ein weiterer Beleg dafür, dass derartige freiwillige Selbstbeschränkungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie veröffentlicht werden.
Außerdem besonders negativ auffallend ist, dass easyJet offensichtlich wenig aus dem laufenden Gewinnabschöpfungsverfahren gelernt hat. Weiterhin strapazieren sie die bestehenden Schutzbestimmungen weit über Gebühr. Hier scheint sich die Airline sicher zu sein, „am Ende des Tages“ nicht zahlen zu müssen …
Neu in der Negativliste tauchen die Fluggesellschaften „small planet Airlines“ und „SAS Scandinavian Airlines“ auf; keine das Renommee steigernde Leistung.
Abb. 3: Rangliste der unzuverlässigsten Flugverbindungen bzgl. der Einhaltung der Nachtflugbeschränkung am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ während des Sommerflugplans 2018 (25.03. – 28.10.18)
Seit dem 25. März (bis zum 28. Oktober) gilt der laufende Sommerflugplan. Mit Stichtag 31. Juli hat in den bisher 128 Nächten die Eurowings-Verbindung „EW7827“ aus Mailand bereits 30 Mal die Verspätungsregelung (aus-)genutzt. Mit dieser Quote steht Eurowings jedoch nicht allein dar. Auch die Austrian-Flugverbindung „OS167“ aus Wien überschreitet sehr häufig das Betriebszeitende. Als kein Ruhmesblatt ist die Minderleistung der Deutschen Lufthansa zu betrachten: Sowohl die Flugverbindung aus Frankfurt (LH034) als auch aus München (LH2086) überbeansprucht die Verspätungsregel. Da die Flugstrecken mit 411 km bzw. 600 km (vergleichsweise) kurz sind, greift hier auf keinen Fall „die Geschichte vom langen Flug in den hohen Norden“.
Auffällig ist, dass der Anteil an Billigstfliegern in der Rangliste der unzuverlässigsten Flugverbindungen gegenüber den Vorjahren (scheinbar) leicht abgenommen hat. Dies liegt jedoch daran, dass die etablierten Fluggesellschaften (Full Service Carrier – FSC) sich deutlich in ihrer Zuverlässigkeit und Rücksichtnahme verschlechtert haben. Das Geschäftsmodell „Regelverstoß“ greift immer mehr um sich.
Fazit:
Was ist zu tun, um dieser andauernden, groben Missachtung einer maßgeblichen Schutzbestimmung für die Bevölkerung Einhalt zu gebieten?
Als erstes muss es zu einer Beweislastumkehr kommen: Hierzu ist die Genehmigungsfiktion (s.o.) zu streichen und die Formulierung „nachweisbar unvermeidbar“ in „nachgewiesenermaßen unvermeidbar“ zu ändern. Bisher muss die Hamburger Fluglärmschutzbeauftragte den Fluggesellschaften mühsam hinterherarbeiten, um an die (angeblichen) Verspätungsgründe zu kommen. Dies kann Wochen bis Monate dauern …
Außerdem bedarf es zwingend einer verbindlichen (erschöpfenden) Definition des Begriffes „unvermeidbar“. Bisher ist (angeblich) jeder Start und jede Landung nach 23 Uhr „unvermeidbar“. Was als „unvermeidbar“ gilt, legen die Fluggesellschaften selbst fest. Dies hat zur Folge, dass es (angeblich) seit Jahren keine einzige vermeidbare Flugbewegung am „Helmut Schmidt-Airport“ nach 23 Uhr gegeben hat. Wie naiv muss man/frau sein, um das zu glauben?
Starts nach 23 Uhr sind kategorisch vermeidbar. Eine (tatsächlich) „unvermeidbare Verspätung“ bei einer Landung kann als solche anerkannt werden, wenn diese aus dem letzten Tagesumlauf stammt und sie (1) aus Extremwettersituationen, (2) medizinischen Notfällen, (3) unvorhersehbaren Technikversagen oder (4) kurzfristigen Flugsicherungsgründen herrührt. Als „vermeidbare Verspätung“ bei einer Landung sind hingegen insbesondere (1) Umlaufverspätungen aufgrund zu kurz disponierter Standzeiten, (2) Technikversagen an Verschleißteilen, (3) Verzögerungen im Luftverkehr aufgrund von hohem Flugverkehrsaufkommen und (4) Verzögerungen im Betriebsablauf aufgrund von Bodenverkehrsdiensten zu bewerten.
Werden die obigen Punkte nicht umfassend umgesetzt, ist mit nochmaligen Zuwächsen bei den nächtlich verspäteten Starts und Landungen am „Helmut Schmidt-Airport“ in den kommenden Jahren zu rechnen. Dies sind dann allerdings keine guten Rahmenbedingungen für die in der aktuell in der Regierungsverantwortung stehenden Senatsparteien bei der Hamburger Bezirkswahl (2019) und Bürgerschaftswahl (2020) …