Wege zur Belastungsreduzierung

Der kapitale Stromausfall am Hamburger Stadtflughafen „Helmut Schmidt“ hat das vollbracht, was sich die in den An- und Abflugschneisen lebenden (leidenden) Bürger*innen sehnlichst wünschen: Endlich Ruhe (vgl. taz & HA). Zugegeben, eine dauerhafte Schließung des Verkehrsflughafens können sich (bisher) nur wenige vorstellen. Dabei ließe sich mit dem ca. 570 ha großen, nahezu unbebauten Gelände ein komplett neuer (ökologisch verträglicher) Stadtteil entwickeln. Zum Vergleich: Hamburg-Horn ist ca. 590 ha groß. Dort leben derzeit ca. 38.500 Einwohner*innen …

Abb.: Die Belastungsentwicklungen sind eindeutig: Es finden immer mehr nächtlich verspätete Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit nach 23 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ statt. Die Fluglärmdauerschallpegel (Tag & Nacht) kennen nur eine Tendenz – es wird immer unerträglicher!

Zurück zu den milderen Mitteln der nachhaltigen Belastungsreduzierung. Im Folgenden werden vier konkrete Maßnahmen dargestellt und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit (sowie etwaige Nebenwirkungen) beleuchtet:

I. Einführung und Umsetzung eines Nachtflugverbotes

  • Die BUND-Volkspetition „Nachts ist Ruhe – Fair für alle, gut für Hamburg“ fordert die Einführung und Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes: werktags von 22 Uhr bis 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 22 Uhr bis 8 Uhr
  • Die Umsetzung dieser Forderung bedingt eine Änderung der Betriebsgenehmigung der Flughafen Hamburg GmbH (FHG). Hierzu bedarf es eines Antrages der Genehmigungsinhaberin (FHG)
  • Am Luftverkehrsstandort Hamburg arbeiten ca. 27.500 Frauen und Männer (davon ca. 20.000 weitgehend unabhängig von den Betriebszeiten des Verkehrsflughafens: 12.500 bei Airbus, 7.500 bei Lufthansa Technik). Dies entspricht einem Anteil von 73 %. Beim Betreiber des Verkehrsflughafens (FHG) arbeiten ca. 2.000 Frauen und Männer, davon ca. 1.000 bei den Bodenverkehrsdiensten. Zusätzlich arbeiten am Luftverkehrsstandort noch ca. 800 Frauen und Männer für Luftfahrtunternehmen sowie ca. 600 in Behörden. Außerdem werden noch ca. 4.200 „andere Jobs“ unspezifisch angegeben
  • Die Anzahl an Arbeitsplätzen, die von einem Nachtflugverbot gefährdet wären, schwankt zwischen 1.000 (Senat) und 250 (BUND), d.h. 3,6 % – 0,9 %
  • Eine Reduzierung der Betriebszeit um 6 % ist als zielführend und verhältnismäßig anzusehen

II. Umsetzung der Empfehlungen der Hamburger Fluglärmschutzkommission (FLSK)

  • Aufgabe der FLSK ist es, die für den Verkehrsflughafen zuständige Genehmigungsbehörde (BWVI) sowie die für die Flugsicherung zuständige Stelle (DFS) bei Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm und gegen Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge fachlich zu beraten
  • In der 228. FLSK-Sitzung (Dezember 2017) wurde mit großer Mehrheit eine fachliche Empfehlung beschlossen, zur Eindämmung der nächtlich verspäteten Starts und Landungen zukünftig keine Verspätungsregelung für Starts nach 23 Uhr und für Landungen nach 23:30 Uhr mehr zuzulassen. Nächtlich verspätete Landungen zwischen 23 Uhr und 23:30 Uhr sollen nur bei Nachweis einer tatsächlichen Unvermeidbarkeit einzeln genehmigt werden
  • Im Jahr 2017 gab es insgesamt ca. 1.200 nächtlich verspätete Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit zwischen 23 Uhr und 06 Uhr. Davon entfallen ca. 300 auf Starts und ca. 800 auf Landungen von Linien- und Touristikfliegern in der Zeit zwischen 23 Uhr und 24 Uhr. Von den 800 Landungen entfallen ca. 75 % (600 Stück) auf den Zeitraum von 23 Uhr bis 23:30 Uhr
  • Bei ca. 160.000 Flugbewegungen im Jahr 2017 würde die FLSK-Empfehlung somit 300 Starts und 600 Landungen (Summe: 900 Flugbewegungen) betreffen. Dies entspricht einem Anteil von 0,6 % – ein äußerst moderater Vorschlag

III. Eindeutige Festsetzung des Kriteriums „Unvermeidbarkeit“ sowie Entzug der „Pauschalgenehmigung“

  • Insbesondere die (bewusst?) uneindeutigen Formulierungen im Luftfahrthandbuch (AIP) öffnen dem (systematischen) Missbrauch Tür und Tor
  • Es bedarf der Beweislastumkehr: Hierzu ist die Formulierung „nachweisbar unvermeidbar“ in „nachgewiesenermaßen unvermeidbar“ zu ändern
  • Außerdem sind die Tatbestände der Unvermeidbarkeit umfassend (d.h. abschließend) festzulegen
  • Starts nach 23 Uhr sind kategorisch vermeidbar
  • Eine „unvermeidbare Verspätung“ bei einer Landung kann anerkannt werden, wenn diese aus dem letzten Tagesumlauf stammt und sie (1) aus einer Extremwettersituation, (2) einem medizinischen Notfall, (3) unvorhersehbaren Technikversagen oder (4) kurzfristigen Flugsicherungsgründen herrührt
  • Als „vermeidbare Verspätung“ bei einer Landung sind insbesondere (1) Umlaufverspätungen aufgrund zu kurz disponierter Standzeiten, (2) Technikversagen an Verschleißteilen, (3) Verzögerungen im Luftverkehr aufgrund von hohem Flugverkehrsaufkommen, (4) Verzögerungen im Betriebsablauf verursacht durch Bodenverkehrsdienste zu werten

IV. Einbeziehung der externen Umweltkosten bei der Entgeltfestsetzung

  • Flughafenentgelte müssen kostendeckend sein, sie dürfen nur in diesem Rahmen „erzieherischen Vorgaben“ (z.B. für den Einsatz etwas weniger lauter Flugzeuge oder der Vermeidung von nächtlich verspäteten Starts und Landungen) dienen
  • Die aktuelle Entgeltordnung für den „Helmut Schmidt-Airport“ umfasst sowohl Gewichts- als auch Lärm- und Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge beziehen sich monetär auf die Gewichts- und Lärmzuschläge. Sie betragen zwischen 22 Uhr und 22:59 Uhr 150 %, 23 Uhr und 23:14 Uhr 350 %, 23:15 Uhr und 23:29 Uhr 400 %, 23:30 Uhr und 23:44 Uhr 450 %, 23:45 Uhr und 23:59 Uhr 550 % sowie 0 Uhr und 5:59 Uhr 700 %
  • Umgerechnet auf einen (vollbesetzten) Airbus A320 beträgt der variable Entgeltanteil bei einer Landung zwischen 23:30 Uhr und 23:44 Uhr seit Juni 2017 8,51 Euro pro Passagier; vor der Entgeltnovellierung waren es 4,20 Euro pro Passagier
  • Gänzlich unbeachtet bleiben bisher die externen Umweltkosten bei der Entgeltfestlegung: Fluglärm raubt gesunde Lebensjahre, Fluglärm lässt Kinder und Jugendliche schlechter lernen, Fluglärm mindert den Wert des Eigentums
  • Zukünftig sind die externen Umweltkosten bei den Entgelten angemessen „einzupreisen“

Abb.: Findet sich in absehbarer Zeit kein einvernehmlicher Weg zu einem tragfähigen Interessensausgleich zwischen dem Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften einerseits sowie den betroffenen Bürger*innen andererseits, wird eine zeit- und kostspielige juristische Auseinandersetzung unausweichlich

Fazit: Am Mittwoch, den 20. Juni 2018 wird sich der Umweltausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft erneut mit dem gravierenden Fluglärmproblem befassen. Nachdem zuerst die Petitenten (Betroffenen) ihr Begehr am 28. November 2017 vortragen konnten, folgten am 22. März 2018 die Expertenanhörung sowie am 24. Mai 2018 die Senatsbefragung. Nunmehr ist es an der Zeit, dass der Umweltausschuss seine Empfehlung der Bürgerschaft übermittelt. Diese hat dann das Recht und die Pflicht zu entscheiden, ob der schier grenzenlosen Gier nach Billigflügen weiterhin ungezügelt Vorschub geleistet werden soll oder ob die berechtigten Einwendungen der betroffenen Bürger*innen Gehör finden. Eins ist sicher: Neue Prüfaufträge, freiwillige Selbstbeschränkungen und Punktepläne bringen uns in der Sache nicht weiter!