BUND-Fluglärmreport

Mit der Veröffentlichung des ersten Fluglärmreports im März 2017 hat der BUND Hamburg Neuland betreten – mit dem nunmehr vorliegenden zweiten Fluglärmreport wird die fachliche Expertise fortgeschrieben. Bisher oblag es allein der kommerziellen Flughafenbetreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG), die Entwicklungen am „Helmut Schmidt-Airport“ (aus ihrer Sicht) darzustellen. Als Folge lag der Schwerpunkt der Auswertungen zumeist bei der sektoralen Betrachtung einzelner Nutzungsaspekte bei gleichzeitig weitgehender Außerachtlassung der externen Umweltkosten.

Bei der Erstellung des BUND-Fluglärmreports wurde großer Wert darauf gelegt, die jeweils besten öffentlich verfügbaren Daten zu verwenden. Allen Aus- und Bewertungen der luftverkehrsbedingten Belastungsentwicklungen am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ sind im BUND-Fluglärmreport die jeweiligen Datengrundlagen bzw. Informationsquellen zugeordnet. Hierbei handelt es sich um:

  • Parlamentsdatenbank der Hamburgischen Bürgerschaft (FHH)
  • Monats-/Jahresberichte der Flughafen Hamburg GmbH (FHG)
  • Pressemitteilungen/Internetveröffentlichungen der Behörde für Umwelt und Energie (BUE)
  • Flugspurenauswertungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD e.V.)
  • STANLY_Track – Flugbewegungsinformationsdienst der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS)
  • TraVis – Fluglärminformationsdienst der Flughafen Hamburg GmbH (FHG)
  • Low Cost Monitor (LCC) des Instituts für Flughafenwesen und Luftverkehr (DLR)

Abb. 1: Der länderübergreifende Arbeitskreis „Luftverkehr“ des BUND Hamburg setzt sich bundesländerübergreifend für eine nachhaltige Reduzierung der luftverkehrsbedingten Belastungen ein. Mit dem Fluglärmreport 2017 werden die gravierenden Missstände und die Belastungsentwicklungen, verursacht durch den Betrieb des Hamburger Verkehrsflughafens, detailliert aufgezeigt. Im Zentrum der diesjährigen Auswertungen stehen die erhebliche Steigerung der Anzahl von Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit sowie die wesentliche Fluglärmzunahme insgesamt und insbesondere in der Nachtzeit

Die Auswertungen im Zuge des BUND-Fluglärmreportes belegen: Wer als Linien- oder Touristikfluggesellschaft am „Helmut Schmidt-Airport“ außerhalb der offiziellen Betriebszeit nach 23 Uhr mit seinen Flugzeugen noch starten oder landen möchte, braucht nur etwas Geld: Nach der aktuell bestehenden Verspätungsregelung darf bei unvermeidbaren Verspätungen ausnahmsweise auch außerhalb der offiziellen Betriebszeit bis 23:59 Uhr weiter gestartet und gelandet werden. Den „Nachweis“ der (angeblichen) Unvermeidbarkeit können die Fluggesellschaften formlos selbst erbringen, auch unvollständig (z.B. ohne Pilotennennung) und mit mehrwöchiger Verzögerung. Als häufigste „Begründung“ wird eine Störung im Betriebsablauf, die zu einer Verzögerung in der Tagesrotation geführt hat – welche dann zeitlich nicht mehr aufgeholt werden konnte – genannt. Eine Kontrolle des Wahrheitsgehaltes der Angaben ist für die zuständige Aufsichtsbehörde (Behörde für Umwelt und Energie – BUE) faktisch unmöglich. Auch findet bei wiederholten „Problemen in der Tagesrotation“, die zu häufigen Überschreitungen der 23 Uhr-Grenze derselben Flugverbindung führen, selten eine zielführende Nachsteuerung statt. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, ob der aktuell von der BUE gestartete Sanktionsversuch der Gewinnabschöpfung konkret Früchte trägt, sprich die Fluggesellschaften Zahlung leisten und ihr Fehlverhalten entsprechend ändern.

Als Folge der unzureichenden Kontrolle und Ahndung von Verstößen gegen die bestehende Schutzbestimmung fanden im zurückliegenden Jahr 2017 lediglich in 66 von 365 Nächten keine Starts und Landungen nach 23 Uhr statt. Dies entspricht einer Regeleinhaltung von nur 18,1 %. Allein innerhalb der letzten fünf Jahre (2013 bis 2017) hat die Anzahl an nächtlich verspäteten Flugbewegungen (Starts und Landungen) um 108 % zugenommen, d.h. sich mehr als verdoppelt – und das, obwohl der Hamburger Senat bereits die damalige Anzahl an nächtlichen Verspätungen als deutlich zu hoch angesehen hat.

Für die Anwohner*innen in den An- und Abflugschneisen sowie im Nahbereich des Flughafens besonders negativ ins Gewicht fallend ist, dass die Billigflieger (sog. Low Cost bzw. Low Fare Carrier) mit drei von vier verspäteten Starts oder Landungen nach 23 Uhr weit überdurchschnittlich nächtliche Verspätungen zu verantworten haben. Das preisgetriebene Mobilitätsinteresse der Bevölkerung zu Lasten Dritter wird zunehmend zum Problem. Besonders auffällig ist, dass die Regelverstöße gehäuft in den Sommermonaten auftreten: Während im Januar und Februar wenigstens in 12 bzw. 13 Nächten des jeweiligen Monats das Betriebsende eingehalten wurde, waren es in den Monaten Juni, Juli, August und September zusammen (!) nur drei Nächte ohne Starts und Landungen nach 23 Uhr. Dieser Zusammenhang macht überdeutlich, dass die Regeleinhaltung bzgl. der Nachtflugbeschränkungen eine bloße Frage der Flugbewegungsdichte ist.

Weder freiwillige Selbstverpflichtungen („Pünktlichkeitsoffensive“) noch die novellierte Entgeltordnung haben es vermocht, das bestehende Belastungsübermaß spür- und messbar zu reduzieren – im Gegenteil. Zudem wird jeder Passagierzuwachs von den aktuellen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung unreflektiert positiv bewertet, als ob es keine direkte oder zumindest indirekte Beziehung von Passagiertransport, Fluglärm und Grad der Regelmissachtung gäbe (vgl. NoFlyHAM-Blogbeitrag „Unverhältnismäßig“).

Dass die seit Juli 2017 geltenden lärmabhängigen Bestandteile der Entgeltordnung eine unzureichende Steuerungswirkung im Hinblick auf den Einsatz weniger lauter Flugzeuge (insbesondere in den besonders sensiblen Tagesrand- und Nachtzeiten) aufweisen, belegen die Auswertungen des BUND eindringlich. Insbesondere der überproportionale nächtliche Fluglärmanstieg ist alarmierend! Einmal mehr zeigt sich, dass freiwillige Selbstverpflichtungen vereint mit halbherzigen formalen Vorgaben – deren Einhaltung zudem nur mangelhaft kontrolliert und bei Fehlverhalten unzureichend sanktioniert wird – allein den Belastungsverursachern dienen.

Abb. 2: Im Frühjahr 2017 hat der BUND eine Volkspetition für ein konsequentes Nachtflugverbot ab 22 Uhr gestartet. Mit großem Erfolg – auch dank der breiten ehrenamtlichen Unterstützung bei der Sammlung der Unterschriften. Knapp 13.000 Hamburger*innen haben für „Nachts ist Ruhe!“ unterzeichnet und damit diesem wichtigen Anliegen Gesicht gegeben

Unbestritten ist, dass bereits die bestehende Betriebszeit des „Helmut Schmidt-Airports“ von täglich 17 Stunden zu einem systematischen Schlafdefizit für tausende Bürger*innen in Hamburg und Schleswig-Holstein führt. Infolge der faktischen „Verspätungsoffensive“ der Fluggesellschaften mit weit über 1.000 Nachtflugbewegungen außerhalb der regulären Betriebszeit im letzten Jahr bis nach 24 Uhr reduziert sich die erholsame Schlafphase auf maximal sechs Stunden. Dies schädigt die Gesundheit der Betroffenen erheblich. Die gleichsam zielführende wie verhältnismäßige Maßnahme, dieses Missverhältnis nachhaltig zu beheben, stellt die unmittelbare Einführung und nachfolgend konsequente Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes (werktags von 22 Uhr bis 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 22 Uhr bis 8 Uhr) dar. Eine Forderung, die auch vom Umweltbundesamt (UBA) erhoben wird.

Sowohl die Nachtflugbeschränkungen als auch die Bahnbenutzungsregelung (in der jeweils gültigen Fassung des Luftfahrthandbuchs Deutschland – AIP) sind verbindlich. Zu diesem Sachverhalt besteht zwischen den direkten bzw. indirekten Belastungsverursachern und den Betroffenen Einvernehmen. Zumindest zwischen Bürgerschaft, Umweltbehörde und Betroffenen wird ebenso einvernehmlich die Erkenntnis geteilt, dass die Regeleinhaltung durch den Zustandsstörer (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) und die Handlungsstörer (Fluggesellschaften, Deutsche Flugsicherung GmbH – DFS) mangelhaft bis ungenügend ist. Es stellt sich daher die Frage nach Art und Weise der Störerhaftung.

Fest steht, dass der Betrieb des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“ – inmitten einer dicht besiedelten Metropolregion – die umfassende Rücksichtnahme auf die vom Fluglärm betroffenen Bürger*innen sowohl im Nahbereich um den Flughafen als auch in den An- und Abflugschneisen bis weit in das Umland hinaus bedingt. Der jetzige gravierende Missstand ist nicht länger tragbar!

Fazit:

Das Flugjahr 2017 weist gleich zwei Negativrekorde auf: Es ist das lauteste Flugjahr seit Beginn des Jahrhunderts und es ist das Flugjahr mit den meisten nächtlich verspäteten Starts und Landungen von Linien- und Touristikflügen außerhalb der offiziellen Betriebszeit seit Beginn der kommerziellen Passagierluftfahrt an diesem Standort (vgl. NoFlyHAM-Blogbeiträge „Amtshilfe“ und „Alarm“).

Der Stellenwert des aktiven Lärm-/Schallschutzes – d.h. die Durchführung von Maßnahmen, die geeignet sind, den Fluglärm an der Quelle zu reduzieren – fristet in Hamburg ein Schattendasein. Der auf Kosten der Bevölkerung vorgenommenen Gewinnmaximierung der Fluggesellschaften wird immer häufiger Vorrang vor dem Gesundheitsschutz gegeben – sehr zum Leidwesen der betroffenen Bürger*innen sowie entgegen fachlicher Empfehlungen. Fest steht jedoch, dass vermeidbarer Fluglärm unzumutbar ist, Fluglärm auf das technisch machbare Minimum zu reduzieren und Fluglärm zwingend auf ein dauerhaft verträgliches Maß zu begrenzen ist! Ziel muss es sein, den Fluglärm nachhaltig zu verringern. Nachhaltig bedeutet dauerhaft ökologisch, ökonomisch und sozial verträglich.

Im Rahmen der aktuellen Debatte über Umwelt- und soziale Gerechtigkeit wird die volkswirtschaftliche Gegenrechnung „Gewinn an gesunden Lebensjahren durch die Einführung eines echten Nachtflugverbotes“ (Indikator echten Fortschritts – GPI) bisher weder in der Verwaltung noch der Politik vollzogen. Allein auf Basis dieser vollständigen Nutzen-/Kostenbetrachtung kann jedoch eine transparente, tragfähige Entscheidung über die Einführung eines Nachtflugverbotes am „Helmut Schmidt-Airport“ getroffen werden. Alles andere grenzt an Willkür!

In Deutschland besteht eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums; die Freie und Hansestadt Hamburg ist Mehrheitseigentümerin der Flughafenbetreibergesellschaft. Der Gebrauch ihres Eigentums darf daher dem Gemeinwohl nicht nur nicht zuwiderlaufen, er muss ihm zugutekommen. Preisgetriebene Vielfliegerei unterliegt mit Sicherheit nicht dem Gemeinwohl – ganz im Gegensatz zur körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Bürger*innen in den An- und Abflugschneisen!