„Grüner Umweltsenator lockert Nachtflugverbot während G20“ titelt das HA am 30.06.17. Die Begründung für noch mehr nächtlichen Fluglärm in den An- und Abflugschneisen in diesem Zeitraum sei, dass es aufgrund des zu erwartenden erhöhten Flugaufkommens nicht zu Verspätungen kommen soll – eine krude Logik. Ohne diese Pauschalerlaubnis müsste jeder verspätete Flug ab Mitternacht einzeln geprüft und genehmigt werden; und hierfür zumindest eine angemessene Bearbeitungsgebühr entrichtet sowie ein (sinnvoller Weise) erhöhtes Start- und Landeentgelt bezahlt werden. Nunmehr ist zu befürchten, dass durch den behördlichen „Freibrief“ von Jens Kerstan alles inklusive ist – zum Nachteil Dritter, insbesondere der betroffenen Bürgerinnen und Bürger.
„No go“ steht in der Jugendsprache (vermutlich jedoch bereits wieder veraltet) für „geht gar nicht!“. Gemeint ist hiermit ein unhaltbarer Zustand oder eine zu missbilligende Handlung. Die Verwendung des Begriffs „no go“ im Zusammenhang mit der anstehenden Mitgliederversammlung der 20 wirtschaftshörigsten Staaten am 07.-08.07.17 in Hamburg ist selbsterklärend.
Abb.: Ein Blick hinter die Kulissen des innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“ lohnt: (1) Laut Senat sind in Hamburg und Schleswig-Holstein aktuell ca. 55.000 Bürgerinnen und Bürger offiziell vom Fluglärm betroffen; nach Maßstäben des Fluglärmschutzgesetzes sind es ca. 100.000 – unabhängige Erhebungen belegen, dass annähernd 250.000 Bürgerinnen und Bürger Tag um Tag und Nacht für Nacht erheblich vom Fluglärm und Flugdreck belästigt werden. (2) Alles andere als stabil – seit 2013 hat der an den zwölf offiziellen Messstellen registrierte Fluglärm um 13 % bis 51 % zugenommen. (3) Erschütternder Rekord – das Jahr 2016 ist das lauteste Flugjahr seit Beginn des Jahrtausends; wo die Möglichkeiten des technischen Umweltschutzes enden, beginnt die Ohnmacht. (4) Permanente Regelmissachtung – in vier von fünf Nächten werden die geltenden Betriebszeiten nicht eingehalten; wozu auch, bei den marginalen „Strafen“. (5) Drei von vier verspätete Nachtflüge werden durch Billigflieger generiert – sie stellen aufgrund ihres Geschäftsmodells (6) das Hauptproblem im Hinblick auf eine nachhaltige Belastungsreduzierung (7) dar.
Für den Aspekt „zusätzliche Belastungen der Bevölkerung infolge des G20-Treffens“ steht „no go“ für die Nicht- bzw. Desinformation dahingehend, dass in den Nächten von Do., den 06.07., bis So., den 09.07.17, mit massiven Nachtflugbewegungen bis weit nach Mitternacht zu rechnen ist. Von offizieller Seite heißt es hierzu – trotz der nunmehr verkündeten weiteren Lockerung der bestehenden Nachtflugbeschränkungen (s.o.) – vernebelnd, dass voraussichtlich lediglich mit „geringfügigen Beeinträchtigungen des Betriebsablaufes“ am Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ zu rechnen sei. Offensichtlich sind den Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und der Betreibergesellschaft die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den An- und Abflugschneisen sowie im direkten Flughafenumfeld nicht wert genug, ehrlich informiert zu werden. Auch bei den Medien entsteht bisher kein Korrektivbedarf. Nachfolgend eine (kleine) Auswahl der Verharmlosungen in diesem Zusammenhang:
Auf der Internetseite der Hamburger Senatskanzlei heißt es: „Der Betrieb am Hamburger Flughafen wird nur geringfügig beeinträchtigt. In der Zeit von Donnerstag, 6. Juli 2017, bis Sonntag, 9. Juli 2017, kann es vereinzelt zu geringfügigen Verspätungen kommen. Es empfiehlt sich, insbesondere vor Flügen am Donnerstagnachmittag, Freitagvormittag und Samstagnachmittag auf die aktuellen Abflugzeiten zu achten. Alle Reisenden sollten außerdem für die Anreise zum Flughafen an diesen Tagen mehr Zeit einplanen, da durch die Fahrzeugkolonnen mit den Staatsgästen einzelne Kreuzungen zeitweise gesperrt werden können.“
Auf die Frage, ob die Nachtflugbeschränkungen auch während des Gipfels gelten, antwortet die kommerzielle Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG): „Ja. Allerdings gelten für die Regierungsflugzeuge aufgrund internationaler Vorschriften Sonderregelungen. Uns ist es wichtig, dass dieser Sonderflugbetrieb möglichst wenige Auswirkungen auf den normalen Flugverkehr und alle Passagiere hier am Hamburg Airport hat. Aus diesem Grund hat die Fluglärmschutzbeauftragte der zuständigen Behörde für Umwelt und Energie die Genehmigung erteilt, vom 7. bis 9. Juli 2017 die geltende Verspätungsregelung bis 24 Uhr um eine Stunde – also bis 1 Uhr – zu verlängern. Damit soll sichergestellt werden, dass auch bei Verspätungen, die möglicherweise durch den G20-Gipfel verursacht werden, alle ursprünglich bis 23 Uhr geplanten Flüge noch abgewickelt werden können. Diese Ausnahmegenehmigung berücksichtigt auch, dass während des G20-Gipfels in Hamburg für die Passagiere keine Beherbergungsmöglichkeit in Hotels o.ä. besteht.
Größere Sorge bereitet der FHG lediglich, dass die Hobby-Flugzeug-Photographen ggf. enttäuscht werden könnten. Gleich mit mehreren Beiträgen wird auf etwaige „Erschwernisse“ hingewiesen: „Das Café Himmelsschreiber wird nach jetzigem Stand vom 7. bis 9. Juli 2017 für die Allgemeinheit nicht zugänglich sein. Das Coffee to Fly wird nach jetzigem Stand während des G20-Gipfeltreffens zu den gewohnten Zeiten geöffnet sein. Allerdings wird voraussichtlich die Zufahrt zum Coffee to Fly von der Polizei gesperrt, sodass es in dieser Zeit nur zu Fuß erreichbar ist. Über einzelne Sperrungen von Straßen rund um den Flughafen entscheidet die Polizei. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es leider nicht möglich, Hinweise auf besonders gute Standorte für Fotoaufnahmen zu geben. Die Aussichtsplattformen des Flughafens bleiben nach jetzigem Stand vom 6. bis 8. Juli 2017 für die Allgemeinheit geschlossen. Zudem ist es während des G20-Gipfels nicht möglich, die Parkhäuser P1, P2 und P5 zum Fotografieren zu betreten. Die Regierungsflugzeuge unterliegen besonderen Sicherheitsbestimmungen. Deshalb können wir diese Information leider nicht geben. – Wenn doch nur das Mitgefühl mit den vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürgern annährend so groß wäre …
Zumindest der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) richtet sich auf zahlreiche nächtliche Verspätungsflüge ein: „S1 – Auf Grund von zu erwartenden Verspätungen im Flugverkehr verkehren nach Betriebsschluss jeweils vier zusätzliche Züge von und zum Airport im 20-Minutentakt. Sie beginnen um 0:33, 0:53. 1:13 und 1:33 am Flughafen und fahren bis nach Blankenese“
Fazit: Dass mit dem G20-Treffen deutliche Zusatzbelastungen auch für die Bewohnerinnen und Bewohner in den An- und Abflugschneisen einhergehen, ist offensichtlich. Hierüber nicht oder nur verschleiernd zu berichten, ist ein grober Akt der Geringschätzung. Erneut zeigt sich, dass die Arroganz der Macht und die Ignoranz der Masse gegenüber den Betroffenen ein unerträgliches Übermaß angenommen haben. Hamburgs erster Bürgermeister, Olaf Scholz, verbreitet jedoch Zwangsoptimismus: „Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.“ Dem ist entgegenzuhalten: Es wird wesentlich mehr Leute geben, die froh sind, wenn das G20-Treffen endlich vorbei ist und sich die Schäden in Grenzen halten!