Objektiver Lärmzuwachs

Eine häufig getätigte Antwort der Fluglärmrechtfertiger in Verwaltung und Politik gegenüber den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist, dass die Belastungen – verursacht durch den Betrieb des innerstädtisch gelegenen Hamburger Flughafens „Helmut Schmidt“ – in den vergangenen Jahren nicht zugenommen hätten; allenfalls das „subjektive Lärmempfinden“ der Betroffenen hätte sich geändert. Anlass genug, diese Aussage auf ihre Belastbarkeit zu prüfen.

Die kommerzielle Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) ist gemäß Luftverkehrsgesetz (§19) verpflichtet, ein geeignetes Fluglärm-Messnetz einzurichten und dauerhaft zu betreiben. Die inhaltlichen Anforderungen an diese Fluglärm-Überwachungsanlagen, wie z.B. die Beschreibung und Beurteilung der „Fluggeräusche“, werden durch die DIN 45643 vorgegeben. Zur Erfüllung ihrer Betreiberpflichten unterhält die FHG insgesamt 12 Fluglärm-Messstellen in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die gemessenen fluglärmbedingten Schallereignisse (Fluglärm) wurden durch die FHG früher jahresweise, nunmehr monatsweise in Pegelhäufigkeitstabellen dargestellt.

Bis zum Jahr 2012 geschah dies getrennt nach Starts und Landungen sowie Tag und Nacht. Seit 2013 wird nicht mehr zwischen Lärmpegeln, verursacht durch startende oder landende Maschinen, unterschieden. Lediglich die Unterteilung in „Taglärm“ (06 Uhr bis 22 Uhr) und „Nachtlärm“ (22 Uhr bis 06 Uhr) ist geblieben. Außerdem haben sich die Klassengrenzen verschoben. Bis 2012 wurden die Klassen in 5 dB(A)-Schritten, beginnend ab ≥ 61 dB(A) gebildet; ab 2013 startet die Klassenbildung bei ≤ 64 dB(A). Eine sprachliche Gemeinheit Feinheit: „weniger als 64 dB(A)“ klingt harmloser als „mehr als 61 dB(A)“, obwohl es bis zu 2,9 dB(A) lauter ist. Zur Erinnerung: Eine Steigerung um 3 dB(A) bedeutet eine Verdopplung der Schallleistung, d.h. beim Wechsel der Klassengrenze handelt es sich um keine Petitesse.

Während hinsichtlich der Erfassung sowie Aus- und Bewertung der flugverkehrsbedingten Schallereignisse vieles konkret vorgegeben wird, wirft die Anzahl und Lage der einzelnen Fluglärm-Überwachungsanlagen erhebliche Fragen auf. Im Ergebnis scheint es derart, dass bei der damaligen Festlegung eher politischen Vorgaben gefolgt denn das Ziel angestrebt wurde, das tatsächliche Belastungsausmaß räumlich repräsentativ abzubilden. Als Konsequenz befinden sich die meisten Messstellen nicht in den Belastungsschwerpunkten, sondern lediglich an deren Rand.

Abb.: Verortung der FHG-Fluglärm-Messstellen am Rande der An- und Abflugkorridore in Hamburg und Schleswig-Holstein

Das bestehende FHG-Fluglärm-Messnetz eignet sich gut für einen zeitlichen Belastungsvergleich an den einzelnen Messstellen; ein Quervergleich zwischen den einzelnen Standorten ist jedoch nur bedingt sinnhaft, da deren Positionierung auf keinen einheitlichen fachlichen Kriterien fußt. Bei einer Aus- und Bewertung der Zahlenwerke sind qualitative (relative Pegelhäufigkeitsverteilung) und quantitative (Aufsummierung aller flugverkehrsbedingten Pegelereignisse) Ergebnisse zu unterscheiden. Zusammen ergeben diese einen Eindruck der aktuellen Belastungsverhältnisse und deren zurückliegende Entwicklung. Die nachfolgende Reihung listet die FHG-Fluglärm-Messstellen nach dem Ausmaß der Pegelhöhe und insbesondere der „Pegelfracht“ der Jahre 2013 bis 2016 auf:

Deutlich wird, dass die Stationen M11 (Norderstedt, Ohlenhoff), M01 (Hasloh, Alter Kirchweg) und M05 (Langenhorn, Korhswort) die höchsten Jahres-Lärmsummen aufweisen. Die lautesten Überflüge werden an den Stationen M07 (Fuhlsbüttel, Kortenkamp), M10 (Stellingen, Wasserwerk) und M05 (Langenhorn, Kohrswort) festgestellt. Außerdem sofort ins Auge springend ist, dass an ALLEN Fluglärmmessstellen die jeweiligen Lärmsummen in den vergangenen vier Jahren (Zeitraum: 2013 – 2016) deutlich zugenommen haben; zwischen 13 % und 51 % beträgt der Anstieg der Fluglärm-Jahressumme. Der Mittelwert aller Stationen liegt bei 25 %.

Unter der Eignungshöffigkeit, dass das bestehende FHG-Fluglärm-Messnetz die Belastungssituation hinreichend widerspiegelt, ergibt sich aus der Zusammenschau aller Teilergebnisse der einzelnen Messstellen ein überregionales Gesamtbild. In der nachfolgenden Abbildung sind die Fluglärm-Jahressummen der 12 Stationen jahresweise aufaddiert – getrennt nach Taglärm und Nachtlärm – für die Jahre 2013 bis 2016 dargestellt. Es zeigt sich, dass der Taglärm innerhalb von vier Jahren um 22 % zugenommen hat. Der besonders störende Nachtlärm hat in diesem Zeitraum – auf insgesamt (noch) deutlich niedrigerem Gesamtniveau – sogar um 42 % zugenommen! Dies bedeutet, dass in der Nachtzeit (d.h. ab 22 Uhr) die Fluglärm-Steigerungsrate gegenüber der Tagesperiode überproportional groß ist. Ein weiterer Beleg dahingehend, dass die bisherigen politischen Bestrebungen, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zumindest in der Nachtzeit besser vor Fluglärm zu schützen, nicht greifen.

Abb.: Entwicklung der fluglärmbedingten Jahreslärmsummen – verursacht durch den Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ – in den Jahren 2013 bis 2016; unterschieden in Tag- und Nachtlärm. Datengrundlage bilden die Pegelhäufigkeitstabellen der 12 FHG-Fluglärm-Messstellen

Fazit: Entgegen den gebetsmühlenartig vorgetragenen Behauptungen der direkten und indirekten Fluglärm-Lobbyisten, die Belastung hätte in den vergangenen Jahren nicht zugenommen, zeigen die obigen Auswertungen der betriebseigenen Fluglärm-Messstellen, dass sowohl der Tag- als auch der Nachtlärm innerhalb von vier Jahren wesentlich zugenommen hat. Das „subjektive Lärmempfinden“ der Betroffen wird daher eindeutig gestützt durch objektive Datenauswertungen! Wer anderes von sich gibt, lügt.