Miles and More

Welterschöpfungstag“, „Weltüberlastungstag“, „Ökoschuldentag“ oder „Erdüberlastungstag“ – alles Bezeichnungen dafür, wie liederlich die Menschen mit dem ihnen anvertrauten Planeten umgehen. Berechnet wird der „Earth Overshoot Day“ aus dem Verhältnis der globalen Biokapazität (d.h. der Menge der innerhalb eines Jahres global zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen) und dem globalen ökologischen Fußabdruck (d.h. der menschlichen Nachfrage an natürlichen Ressourcen innerhalb des betreffenden Jahres). Übersteigt das Ausmaß des ökologischen Fußabdruckes die globale Biokapazität, ist der Erdüberlastungstag erreicht. Danach lebt der Mensch auf Pump zukünftiger Generationen. Im laufenden Jahr 2019 wurde für Deutschland der 3. Mai als Erdüberlastungstag errechnet.

Der Lobbyverband der Deutschen Verkehrsflughäfen (ADV) zelebriert diesen Tag, indem er bekannt geben lässt, dass die Anzahl an Menschen, die über Ostern irgendwo von und nach Deutschland geflogen sind, nochmals um 3 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen sei. Dass hierfür auch 2 % mehr Flugbewegungen nötig waren – und damit verbunden mehr Fluglärm und Flugdreck produziert wurde – ist dem ADV herzlich egal. Umweltzerstörung, Artensterben, Klimanotstand: Egal, Hauptsache „in die Luft gehen“! Es gilt das Credo: Bereisen Sie die Malediven, solange diese noch nicht untergegangen sind.

In diesem Zusammenhang passt die Nachricht der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (IATA) sowie der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), dass der weltweite Kerosinverbrauch des kommerziellen Luftverkehrs mit (prognostizierten) 367 Mrd. Litern pro Jahr diesjährig einen neuen Rekord erreichen wird. Damit ist die Nutzung des gesundheitsschädlichen und umweltgefährdenden Flugzeugtreibstoffs in den vergangenen zehn Jahren von 250 Mrd. Liter pro Jahr (2009) um 46,8 % angestiegen – wahrlich kein Grund zum Jubeln. Einhergehend mit der Verbrennung von 367 Mrd. Litern Kerosin pro Jahr ist die Emission von 1,0 Mrd. t CO2 / a (in Worten: Ausstoß von einer Milliarde Tonnen klimarelevantem Kohlendioxid pro Jahr)! Frei nach dem Motto:Fliegen für den KlimawandelFlugscham ist nur was für vegane lactose- und glutenfreie Ökospinner“.

Abb. 1: Entwicklung der weltweit verbrauchten Kerosinmenge der Jahre 2005 – 2019

Global denken, lokal handeln“ stellt eine Leitlinie öffentlichen Handelns dar, bei der durch eine veränderte Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Chancen künftiger Generationen zu beeinträchtigen. Nachhaltiges Handeln steht hierbei im Zentrum. Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll.

Wie steht es um die Beachtung der Nachhaltigkeitskriterien beim Betrieb des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens? Mag man der Eigenwerbung des kommerziellen Flughafenbetreibers (FHG) Glauben schenken (besser nicht), wäre alles bestens: „Die wirtschaftliche Aktivität des Hamburg Airport geht Hand in Hand mit aktivem Umwelt- und Ressourcenschutz. Der umsichtige Umgang mit Naturressourcen und der Umwelt hat im Denken und Handeln aller Mitarbeiter besonderes Gewicht und ist im Wertekodex der Flughafen Hamburg GmbH fest verankert“. Weiterhin ist zu lesen: „Mit der „Airport Carbon Accreditation” (ACA) hat sich Hamburg Airport seit 2011 dazu verpflichtet, seine CO2-Emissionen systematisch zu erfassen und umfassende Reduktionsmaßnahmen umzusetzen. Bei der ACA handelt sich um eine zertifizierbare Selbstverpflichtung zur Erfassung und zur Reduktion von CO2-Emissionen“

Bei der Durchleuchtung dieser Sätze anhand von Zahlen aus der FHH-Drucksache 21/15981Wie entwickeln sich die Emissionen des Luftverkehrs in und über Hamburg?“ vom 28.01.2019 sieht die Welt deutlich differenzierter und nüchterner aus: Während die bodengebundenen CO2-Emissionen von 2010 mit 38.292 t/a um 60 % auf 15.457 t/a in 2017 zurückgegangen sind, sind die luftseitigen CO2-Emissionen von 2010 mit 787.000 t/a um 11 % auf 872.000 t/a angestiegen. In Summe hat sich somit die Klimalast des Flughafenbetriebes innerhalb von sieben Jahren um 7,5 % erhöht (2010: 825.292 t CO2/a; 2017: 887.457 t CO2/a). Alles kein Problem (für die FHG und die Fluggesellschaften), dank des Ablasshandels namens CORSIA.

Hintergrund:

Im Oktober 2016 hat die ICAO die Einführung eines globalen Mechanismus für die Regulierung der Treibhausgas-Emissionen der internationalen Zivilluftfahrt beschlossen – CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation). Unter diesem müssen die Luftfahrtbetreiber ihre Emissionen durch sog. Offset-Zertifikate kompensieren (d.h. monetär „ausgleichen“). Das System wird in drei Phasen eingeführt: An einer Pilotphase 2021 – 2023 und einer ersten Phase 2024 – 2026 können Staaten freiwillig teilnehmen. In der zweiten Phase 2027 – 2035 ist die Teilnahme für alle Staaten verpflichtend. Ausgenommen sind Staaten mit einem sehr geringen Anteil an den globalen Flugbewegungen.

Das Treibhausgasziel der Luftfahrtbranche ist ein CO2-neutrales Wachstum ab 2020, jedoch keine absolute Emissionsminderung. Erreicht werden soll dies, indem die Fluggesellschaften weltweit CO2-senkende Klimaschutzprojekte finanzieren, mit denen in entsprechender Größenordnung die Emissionen aus dem zusätzlichen Luftverkehr (auf dem Papier) ausgeglichen werden. Umwelt- sowie Klimaschutzexperten bemängeln, dass das vorgesehene System die Belastungsart und den -ort von der Kompensationsart und dem -ort trenne (Entkoppelung), nicht nur keinen Reduktionsmechanismus enthalte, sondern allein für Europa ein luftverkehrsseitig kostenlos zugeteiltes CO2-„Emissionsrecht“ von 210 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr enthalte und wesentlich zu spät einen verbindlichen Charakter erhalte. Zudem ist völlig offen, welche fachlichen Standards für die Kompensationszertifikate gelten und wer deren dauerhafte Einhaltung kontrolliert. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass durch CORSIA lediglich die direkten CO2-Emissionen erfasst werden. Diese machen jedoch nur einen Teil des Strahlungsantriebs des Flugverkehrs aus, der für den Effekt auf die Klimaerwärmung maßgeblich ist. Kurzum: CORSIA dient dem Greenwashing des kommerziellen Luftverkehrs, nicht jedoch dem Klimaschutz! Ablasshandel 20.16.

Welches sind diejenigen Flugverbindungen am „Helmut Schmidt-Airport“ mit der größten Klimalast? Dank des unabhängigen DFLD-Flugmessnetzes kann diese Frage beantwortet werden. Am umweltschädlichsten ist das Hin- und Herfliegen zwischen Hamburg und Palma de Mallorca. Insgesamt 4.115 Flüge (davon 1.885 Abflüge sowie 2.230 Ankünfte) hat der DFLD im Jahr 2018 registriert. Hieraus ergibt sich eine aufsummierte Flugstrecke von 6,83 Mio. Kilometer. Unter der Annahme, dass pro 1.000 Flugkilometer durch die Triebwerke durchschnittlich 8.970 kg CO2 „freigesetzt“ werden, wurden dabei 61.300 Tonnen klimarelevantes Kohlendioxid „produziert“. An zweiter Stelle dieses Negativrankings folgt die Flugverbindung von und nach München. Insgesamt 10.529 Flüge haben 2018 zwischen beiden Städten stattgefunden. Hierbei wurden 56.700 t CO2 emittiert.

Abb. 2: Kohlendioxidlast der häufigsten Flugverbindungen am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Jahr 2018

Besonders kritisch zu betrachten sind CO2-Emissionen, verursacht durch die Ultra-Kurzstreckenflüge mit weniger als 500 km Wegstrecke. Hierzu zählen am „Helmut Schmidt-Airport“ die Flugverbindungen nach Kopenhagen (278 km), Düsseldorf, (341 km), Köln/Bonn (362 km), Amsterdam (379 km) und Frankfurt (411 km). Zusammen sind diese Strecken im Jahr 2018 für einen Klimagasausstoß von 73.810 t verantwortlich. Ein Betrag, der sich (mühelos) um 90 % auf rund 1/10 der Schadmenge reduzieren ließe, wenn anstelle des Flugzeuges die Bahn genutzt werden würde.

Ryanair ist die neue Kohle und die Flughäfen sind die neuen Kohlekraftwerke – zugegeben etwas plakativ dargelegt. Als erstes „Nichtkohlekraftwerk“ hat es der Billigflieger Ryanair in die Liste der zehn größten Treibhausgas-Verursacher in Europa geschafft. Bisher befanden sich in dieser Malusliste nur Kohlekraftwerke. Die irische Fluggesellschaft emittierte im vorigen Jahr 9,9 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid. Das CO2-Ranking, auf das sich diese Zahlen beziehen, steht im Zusammenhang mit dem europäischen Emissionshandel. Dieser reguliert den CO2-Ausstoß von Kraftwerken, der Industrie sowie der Luftfahrt innerhalb der Europäischen Union. Die Brüsseler Daten zeigen, dass die Emissionen im Kraftwerkssektor durch den Umstieg auf „grüne Energie“ tendenziell sinken, während die der Airlines rasant ansteigen. Im vergangenen Jahr wuchs der CO2-Ausstoß im Flugverkehr um 5 %; in den letzten fünf Jahren waren es insgesamt sogar 26 %. Die anderen Sektoren im Emissionshandel verzeichneten dagegen einen Rückgang um 4 % im vergangenen Jahr und um 11 % seit 2013.

Der europäische Dachverband „Transport and Environment“ (T&E) ist sich sicher, dass sich der umweltschädigende Trend im Luftverkehr nicht umkehren lasse, solange die EU keine Maßnahmen ergreife, um den zu niedrig besteuerten und zu wenig regulierten Sektor auf einen nachhaltigen Kurs zu bringen. T&E fordert deshalb eine Besteuerung von Kerosin und Vorschriften für die Branche, auf CO2-neutrale Treibstoffe umzusteigen. Fluggesellschaften zahlen bisher keine Kraftstoffsteuer, außerdem sind Flugtickets für den internationalen Verkehr von der Mehrwertsteuer befreit.

Die Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung Infratest dimap mbH hat jüngst ermittelt, dass 85 % der befragten Bürgerinnen und Bürger der Ansicht sind, dass ohne Einschränkungen in den Lebensstil der Klimawandel nicht zu stoppen ist. Dass Deutschland gerade beim Klimaschutz mit guten Beispiel voran gehen soll, sagen 81 % der Befragten. Schizophren ist, dass 68 % der Personen jedoch die Pflicht des Klimaschutzes vorwiegend bei Dritten (z.B. der Industrie) und weniger bei sich selbst (d.h. ihrem eigenen Handeln) sehen. Insofern lehnen auch 62 % die Einführung einer CO2-Steuer ab; der Billigflug zum Ballermann (s.o.) könnte ja teurer werden …