Damit Sie es nicht vergessen: Um 23 Uhr endet offiziell die Betriebszeit am innerstädtisch gelegenen Hamburger Regionalflughafen „Helmut Schmidt“.
Vor knapp einem Jahr trafen sich Vertreter von Air Berlin (pleite), Condor, easyJet, Eurowings/Germanwings, Lufthansa sowie der Flughafen Hamburg GmbH, um gemeinsam eine Erklärung zum Abbau der nächtlichen Flugbewegungen nach 23 Uhr am „Helmut Schmidt“-Flughafen zu unterzeichnen. Damit verpflichten sich Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften, zum Schutz der Bevölkerung „so selten wie möglich“ Gebrauch von der sogenannten Verspätungsregelung zu machen, welche besagt, dass rücksichtslos bis Mitternacht weitergedonnert werden kann, wenn der jeweilige Dispatcher hinreichend gewinnmaximierend agiert.
Vertreter von Politik und Verwaltung – darunter die Hamburger Staatsräte Andreas Rieckhof von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation sowie Wolfgang Michael Pollmann von der Behörde für Umwelt und Energie – nahmen an der Unterzeichnung teil und begrüßten freudig das „starke Bündnis“ für mehr Fluglärmschutz. Etwas mehr Skepsis wäre angebracht gewesen …
„Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung ist der Luftfahrtstandort Hamburg bundesweit Vorreiter für die Zusammenarbeit von Flughafen und Airlines bei der Reduzierung von Verspätungen“ hieß es damals vollmundig in der Pressemitteilung. Die überlaute Realität sieht gänzlich anders aus! Das Flugjahr 2016 stellt das lauteste seit Beginn des Jahrtausends dar. Die Missachtung der Betriebszeit hat ein dramatisches Übermaß angenommen.
Sofern die seinerzeit medial sehr präsent dargebotene Absichtserklärung auch nur im Ansatz ernst gemeint war, müssten spätestens mit dem neuen Sommerflugplan 2017 mess- und spürbare Entlastungen für die Betroffenen eintreten. Um dies kontrollieren zu können, konnten bisher auch die im jeweiligen Flugplan angegebenen Abflug- und Ankunftszeiten (Sommer 2015, Sommer 2016) verwendet werden. Hieraus ließ sich ablesen, wie viele Flugbewegungen zwischen 22 Uhr und 23 Uhr in den Monaten April bis Oktober vorgesehen waren: Im Jahr 2015 waren dies 6.299 und im darauf folgenden Jahr 6.515.
Für den Sommerflugplan 2017 kann eine solche Zahl nicht ermittelt werden. Die Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) zieht es vor, nur noch tageweise anzugeben, welche Flugziele angesteuert werden. Konkrete Abflug- und Ankunftszeiten? Fehlanzeige! Diese gezielte Minderinformation wird als „überschaubar und kompakt“ angepriesen.
Die Flughafenbetreiber von München, Köln/Bonn, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg, Saarbrücken, Hannover, Leipzig und Dresden haben eine derartige Trickserei „Desinformation“ nicht nötig. In deren Sommerflugplänen 2017 erhalten die Leser schneller und komfortabler die gewünschten Auskünfte.
Der vertiefte Blick in die Statistik erklärt, warum es den Hamburger Flughafenbetreibern in den Sinn gekommen ist, die Abflug- und Ankunftszeiten wegzulassen: Im Sommer 2015 verteilten sich die vorgesehenen 6.299 Flugbewegungen schwerpunktmäßig zwischen 22:30 Uhr und 23 Uhr. Insgesamt 56,7 % der Starts und Landungen waren für diesen Zeitraum gebucht. Mit Beginn der „Pünktlichkeitsoffensive“ im Sommer 2016 stieg die Anzahl an vorgesehenen Flugbewegungen in der ersten Betriebsstunde der Nacht um 3,5 % auf 6.515, wobei der Großteil der Starts und Landungen (68,2 %) jedoch planmäßig zwischen 22 Uhr und 22:30 Uhr abgewickelt werden sollte. Auf dem Papier sieht es daher grundsätzlich neutral bis leicht positiv aus.
Die Anzahl der tatsächlich stattgefundenen Flugbewegungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit zwischen 23 Uhr und 24 Uhr ist jedoch im Vergleich „Sommer 2015“ zu „Sommer 2016“ von 497 Starts und Landungen um satte 29,6 % (!) auf 644 angestiegen. Insbesondere die noch besser planbaren Starts haben von 70 im Jahr 2015 auf 139 im Jahr 2016 zugenommen. Dies ist eine dramatische Steigerung um 98,6 % (!!). Dies alles trotz sogenannter „Pünktlichkeitsoffensive“ (s.o.)!
Fazit:
Sowohl das Problembewusstsein als auch der Lösungswille sind beim Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften gleichsam ungenügend ausgeprägt. Es mangelt seitens der direkten und indirekten Belastungsverursacher an Respekt gegenüber den von ihrem Handeln betroffenen Bürgerinnen und Bürgern. Die Haupteigentümerin (Freie und Hansestadt Hamburg) deckt nicht nur dieses Handeln, sie befördert es sogar. Als Pauschalargument muss fortwährend das „gesteigerte Mobilitätsbedürfnis“ herhalten. Städtetrips und Badeurlaube sind nett aber nicht essentiell. Im Gegensatz zur Gesundheit der Menschen, die im Nahbereich um den Flughafen sowie im Bereich der An- und Abflugkorridore leben.
Zwingend muss der Interessenskonflikt zwischen der Vertreterin des Haupteigentümers sowie der Genehmigungs- und Kontrollbehörde (alles die Freie und Hansestadt Hamburg) aufgelöst werden. Es ist an der Zeit, dass die zuständige Fluglärmschutzbeauftragte ihrem gesetzlich vorgegeben Auftrag „Bekämpfung des Fluglärms“ nachkommt. Ein eigenständiger, das tatsächliche Belastungsausmaß objektiv darstellender Fluglärmreport, wäre ein Anfang.
Nicht die Beschwerdeführer sind das Problem, sondern der Fluglärm!