Nachtraub

Erholsamer Schlaf ist (über-)lebensnotwendig. Aus diesem Grund existiert in Deutschland eine allgemeine Nachtruhe von 22 Uhr bis 06 Uhr. Die allseitige Beachtung dieser Vorgabe ermöglicht eine Schlafdauer von zumindest acht Stunden, so wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit langem empfiehlt.

In der mehr als 50 Jahre alten Betriebsgenehmigung des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens wird – sehr zum Leidwesen der vom Fluglärm geplagten Bürgerinnen und Bürger – eine für die Regeneration wertvolle nächtliche Ruhestunde abgeschnitten und stattdessen Starts und Landungen bis 23 Uhr erlaubt. Als fadenscheinige „Begründung“ (Ausrede) hierfür wird auf Nachfrage von den Entscheidungsträgern (w/i/m) in Politik und Verwaltung zumeist vorgetragen, dass Hamburg „so weit im Norden läge, deshalb seien die Flugstrecken länger“.

Am „Helmut Schmidt-Airport“ wird die Nacht immer mehr zum Tag gemacht. Im Jahr 2018 fanden während der Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 06 Uhr insgesamt 8.660 Starts und Landungen statt – ein neuer Allzeitrekord. Gegenüber dem Jahr 2011 stellt dies eine Steigerung von 68 % dar, obwohl die Anzahl der gesamten Flugbewegungen an diesem Standort seitdem sogar um 1 % abgenommen hat. Beleg dafür, dass durch die Fluggesellschaften gezielt in die besonders sensible Nachtzeit ausgewichen wird, um das Geschäftsmodell weiter in Richtung Gewinnmaximierung Profitgier zu trimmen.

Abb. 1: Entwicklung der Anzahl an Nachtflügen (22 Uhr – 06 Uhr) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2011 bis 2018

Auch die Missachtungen des festgeschriebenen Betriebsendes von 23 Uhr haben im vergangenen Jahr am „Helmut Schmidt-Airport“ nochmals zugenommen – trotz diverser Punktepläne. Insgesamt fanden 2018 zwischen 23 Uhr und 06 Uhr 1.307 Flugbewegungen statt. Hiervon entfallen 1.194 Starts und Landungen auf Linien- und Touristikflüge. Durch den Deutschen Fluglärmdienst (DFLD e.V.) konnten 99,7 % der nächtlich verspäteten Linien- und Touristikflüge registriert werden. Lediglich drei Flüge sind durch die Lappen gegangen

Abb. 2: Anzahl (monatlich kumulierte Werte) an nächtlich verspäteten Starts und Landungen (23 Uhr bis 06 Uhr) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2011 bis 2018

Haupttreiber der nächtlich verspäteten Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit am „Helmut Schmidt-Airport“ ist die Lufthansagruppe, mit der Billigairline Eurowings an der Spitze. Fast die Hälfte aller Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 06 Uhr gehen auf deren Konto. Besonders dreist verhält sich auch easyJet. Obwohl diese Billigairline nur 2,7 % am gesamten Luftverkehrsaufkommen in Hamburg ausmacht, produziert sie 9 % der nächtlichen Ruhestörungen. Auch Ryanair, Condor, Austrian Airlines, Germania (Pleite) und Small Planet Airlines (Pleite) weisen ein derart rücksichtsloses Geschäftsgebaren auf …

Abb. 3: Fluggesellschaften mit den meisten nächtlich verspäteten Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 06 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Jahr 2018

Bei der Auswertung, welche Flugverbindungen durch überproportional häufige Starts und Landungen außerhalb der offiziellen Betriebszeit am „Helmut Schmidt-Airport“ auffällig sind, wird deutlich, dass es sich zumeist um Kurzstreckenflüge handelt. Unter den 15 Malusflugverbindungen sind 13, deren Flugstrecke kürzer als 1.500 km ist. Lediglich die Flüge aus Palma de Mallorca und Lissabon fallen in die Mittelstrecken-Kategorie. Beim übergroßen Rest (München, Wien, Frankfurt, Mailand, London, Manchester, Paris, Stuttgart, Zürich, Köln/Bonn und Kopenhagen) steht aufgrund der kurzen Flugzeit von gut einer bis knapp zwei Stunden bereits beim Start fest, dass die Nachtflugbeschränkung in Hamburg nicht eingehalten werden kann soll. Hier ist auf keinen Fall von einer „nachweislichen Unvermeidbarkeit“, sondern von bedingtem Vorsatz auszugehen.

Abb. 4: Flugverbindungen mit den meisten nächtlich verspäteten Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 06 Uhr am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Jahr 2018

Fazit und Ausblick:

Im vergangenen Jahr 2018 fanden lediglich in 53 von 365 Nächten keine nächtlichen Starts und Landungen nach 23 Uhr am „Helmut Schmidt-Airport“ statt. Dies entspricht einer Einhaltung der Nachtflugbeschränkung von lediglich 14,5 %; was bedeutet, dass nur in jeder siebten Nacht das offizielle Betriebsende eingehalten wurde und die Bewohner (w/i/m) rund um den Flughafen sowie in den An- und Abflugschneisen zumindest sieben Stunden Schlaf bekommen konnten.

Das Übermaß an nächtlichen Starts und Landungen am „Helmut Schmidt-Airport“ ist Beleg, dass die Flughafen-Entgeltordnung mit den Zuschlägen für Nachtflüge weiterhin unzureichend im Hinblick auf die Entfaltung einer hinreichenden Schutzwirkung ist. Erneut zeigt sich, dass die einzige wirksame Schutzmaßnahme für die Bevölkerung die Einführung eines echten Nachtflugverbotes zwischen 22 Uhr und 06 Uhr ist. Ein derartiges Nachtflugverbot – so wie auch vom BUND gefordert – ist gleichsam zielführend wie verhältnismäßig. Lediglich 6 % der bisherigen Betriebszeit wären beschnitten; jedoch könnten bis zu 250.000 Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Schleswig-Holstein endlich acht Stunden fluglärmfrei schlafen. In diesem Zusammenhang fordert das Umweltbundesamt (UBA) sowie der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) gleichsam die Einführung und Umsetzung echter Nachtflugverbote an den deutschen Verkehrsflughäfen.

Nunmehr ist die Hamburger Politik und Verwaltung in der Pflicht, auf dem am Monatsende stattfindenden zweiten „Luftverkehrsgipfel“ entsprechend zu handeln. Zum Wohl der Allgemeinheit