Fluglärmkennzahlen 2016

Die Antworten des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage des umweltpolitischen Sprechers und bürgerschaftlichen Mitglieds Stephan Jersch (DIE LINKE) zu den Belastungskennzahlen des Hamburger Flughafens „Helmut Schmidt“ (SKA 21/7443) sind auf mehreren Ebenen vielsagend. Es beginnt damit, dass der Senat teilweise auf Grundlage von Auskünften des kommerziellen Flughafenbetreibers (FHG – Flughafen Hamburg GmbH) antwortet. Einen Interessenskonflikt mag der Senat darin nicht erkennen …

Fluglärmfakten statt Betreibermärchen: Die Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) setzt sich für die nachhaltige Reduzierung der luftverkehrsbedingten Belastungen (Fluglärm & Flugdreck) ein. Sie ist überparteilich und unabhängig

Auf die Frage, wie groß die räumliche Ausdehnung der 62 dB(A)-Leq3-Dauerschall-Isophone („Fluglärmteppich“) im Jahr 2016 war, wird die Auskunft erteilt, dass diese 13.960 m² betrug. Hier scheint sich die akute Hamburger Mathematikschwäche bis in den Senat durchzupausen. Richtigerweise muss es lauten: 13.960.000 m²; mithin um den Faktor 1.000 größer als vom Senat vorgetragen. Dass dann noch – ungefragt – auf das weit im Übermaß (unzulässige Genehmigungsbevorratung) im Jahr 1998 festgelegte „Fluglärmkontingent“ verwiesen wird, zeigt die Gesinnung: Absolute Belastungen sollen durch Relativierung verharmlost werden!

Die Frage: „Wie hat sich die räumliche Ausdehnung (in Quadratmetern) der 62 dB(A)-Leq3-Dauerschall-Isophone für eine durchschnittliche Flugbewegung in den Jahren 2003 bis 2016 – bezogen auf den jeweiligen „Fluglärmteppich“ – absolut und prozentual betrachtet entwickelt?“ beantwortet der Flughafenbetreiber Senat grob irreführend: „Im vergangenen Jahr nahm die räumliche Ausdehnung der 62 dB(A)-Leq3-Dauerschall-Isophone je Flugbewegung ab“. Fakt ist jedoch, dass von 2003 mit 139 m² je Flugbewegung bis 2015 mit 158 m² die durchschnittlich von einem Überflug dauerhaft belärmte Fläche nahezu linear zugenommen hat. Der Wert für das Jahr 2016 liegt mit 157 m² nur knapp unter dem Maximalwert dieser Zeitreihe.

Besonders abenteuerlich fällt die Antwort auf die einfache Frage „An wie vielen Tagen des Jahres fanden 2016 keine Flugbewegungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr statt?“ aus. Hier bietet der antwortende Senat – nachdem er darauf hingewiesen hat, dass am Hamburger Flughafen strenge Nachtflugbeschränkungen gelten – gleich mehrere „alternative Fakten“ an: Je nach Betrachtungsweise („Relativierungsschlüssel“) wären es 90 bis 348 Nächte ohne Flugbewegungen nach 23 Uhr / 24 Uhr im Jahr 2016 gewesen. Hierbei wird – ungefragt – zwischen „Linien- und Touristikflügen“ sowie „übrigen Flugarten“ unterschieden. Was sind „übrige Flugarten“? Und, wie sind diese mit den „Linien- und Touristikflügen“ zu verschneiden? Hier soll offensichtlich ein nicht mehr zu relativierender massiver Missstand maximal möglich verschleiert werden.

Die Einhaltung einer bestehenden Nachtflugbeschränkung zum Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm an lediglich 24,7 % des Jahres ist ein Skandal! Dieser wird noch größer, wenn eigene Erhebungen denen des Senats entgegen gestellt werden. Von Mai bis Dezember 2016 fanden nachweislich lediglich an 33 von 244 Nächten keine Flugbewegungen nach 23 Uhr statt (Datengrundlage: TraVis). Dies bedeutet eine Regeleinhaltung von nur 13,5 %! Um auf die vom Senat für das Gesamtjahr angegebene „Einhaltungsquote“ von 24,7 % zu kommen, müssten von Januar bis April an 57 von 121 Tagen (d.h. 47,1 % der Nächte) keine Flugbewegungen nach 23 Uhr stattgefunden haben. Dies ist mehr als unrealistisch. Wenn der Senat Angaben von Dritten (FHG) übernimmt, ist er verpflichtet, diese auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen!

Das senatsseitige Zahlenjonglieren geht jedoch noch weiter. Auf die Fragen, wie sich die Beschäftigtenzahl der FHG in den Jahren 2003 bis 2016 entwickelt hat und wie groß der Anteil derjenigen ist, die weniger als 10 Euro brutto pro Arbeitsstunde verdienen, erfährt der Souverän, dass die FHG-Mitarbeiterzahl zwischen minimal 643 im Jahr 2010 und 777 im Jahr 2003 betrug, von denen weniger als 1 % unter 10,- Euro die Stunde verdient hat. Abgesehen davon, dass die FHG-Mitarbeiterzahl offensichtlich weitgehend unabhängig von der Anzahl an Flugbewegungen und damit verbunden der Anzahl an Passagieren zu sein scheint, verwundert die Angabe insofern, als dass das Hamburger Abendblatt für die FHG in ihrer Übersicht „Hamburgs größte Arbeitgeber“ seit Jahren mehr als 1.800 Mitarbeiter auflistet. Wo versteckt der Senat / der Flughafenbetreiber mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Vielleicht doch im Niedriglohnsektor?

Hier lohnt mit Sicherheit ein Nachfragen …