Verspätungsoffensive „Helmut Schmidt“

Die gesetzliche Nachtruhe beginnt in Deutschland um 22 Uhr. Am innerstädtisch gelegenen Hamburger Flughafen „Helmut Schmidt“ ticken die Uhren leider anders. Im Jahr 1971 wurde festgelegt, dass die dortige Betriebszeit bis 23 Uhr gehen kann. Begründung: Hamburg liegt so weit im Norden – alles eine Frage der Perspektive …

Sehr zum Leid der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowohl im Nahbereich um den Flughafen als auch weit in das Umland hinaus ist jedoch nicht einmal die „23 Uhr-Schallgrenze“ verbindlich. Gibt es im Laufe eines Tages irgendwann, irgendwo im Luftraum über Europa eine „Störung im Betriebsablauf“, darf in Hamburg munter bis 24 Uhr weiter gedonnert werden. Dies hat sich bei den Fluggesellschaften lange herumgesprochen, mit der Folge, dass Starts und Landungen – auch aufgrund der minimalen finanziellen Sanktionen (Stichwort: Gebührenordnung ohne hinreichende Schutzwirkung) – bis weit nach offiziellem Betriebsende gewinnsteigernd eingeplant sind.

Im Mai 2016 berichtete das Hamburger Abendblatt euphorisch, dass der Flughafenbetreiber (FHG GmbH) in Verbindung mit Air Berlin, Condor, easyJet, Eurowings/Germanwings sowie Lufthansa eine „Pünktlichkeitsoffensive“ startet. Mit dieser Erklärung verpflichteten sich Flughafen und Airlines, so selten wie möglich zu spät zu kommen. Damit sei der Luftfahrtstandort Hamburg bundesweit Vorreiter für die Zusammenarbeit von Flughafen und Fluggesellschaften bei der Reduzierung von Verspätungen.

Aus prominentem Mund wurde in diesem Zusammenhang Folgendes kundgetan:

„Wir konzentrieren uns mit den Airline-Partnern darauf, die letzten Flugzeuge eines Tages, die bis 23 Uhr geplant sind, auch pünktlich in Hamburg starten oder landen zu lassen. Das ist von großer Bedeutung für die Anwohner in Hamburg und in Schleswig-Holstein“, erklärt Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Hamburg GmbH. „Die Betriebszeiten am Hamburger Flughafen sind täglich von 6 bis 23 Uhr, danach gibt es sehr strenge Nachtflugbeschränkungen. Verspätete Flugzeuge dürfen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen bis 24 Uhr starten und landen. Unser Ziel ist es daher, die Bevölkerung bestmöglich vor Fluglärm zu schützen – ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu gefährden.“

Dazu ergänzt Staatsrat Andreas Rieckhof, Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI): „Wir begrüßen die Offensive des Flughafens und der Airlines sehr. Für die Akzeptanz des Luftverkehrs ist es unerlässlich, dass es nach 23 Uhr so wenig Verspätungen wie möglich gibt.“

Michael Pollmann, Staatsrat der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), erklärt: „Wir sind uns bewusst, dass ein innerstädtischer Flughafen Lärmbelastungen mit sich bringt, wissen aber auch um die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, den Lärmschutz Schritt für Schritt zu verbessern. Dafür ist die Pünktlichkeitsoffensive ein wichtiger Erfolg. Jetzt geht es darum, Verspätungen nach 23 Uhr so weit wie irgend möglich zu vermeiden.“

Abb.: Jahressummenkurven der Nachtflugbewegungen am Flughafen „Helmut Schmidt“ der Jahre 2011 bis 2016

Spätestens seit Mai 2016 sollten die Nachtflugbewegungen nach 23 Uhr spürbar zurückgehen – so lautete der offizielle Plan. Die Realität zeigt genau das Gegenteil: Seit mindestens 2011 gab es nicht so viele Flugbewegungen nach 23 Uhr wie im Jahr 2016. Insbesondere der sprunghafte Anstieg der Starts nach 23 Uhr mit Beginn der „Pünktlichkeitsoffensive“ ist ein Skandal!

Das Eingeständnis eines vollständigen Versagens dieser Vereinbarung musste nun der regierende Hamburger Senat erbringen. Auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 09.01.17 antwortet der Senat am 17.01.17 in der SKA 21/7460 lapidar: „Die auch aus Sicht des Senats zeitweilig ungünstige Entwicklung der Starts und Landungen nach 23 Uhr ist durch eine Zunahme von unvermeidbaren Verspätungen verursacht. Der Senat verfolgt weiterhin das Ziel, die Verspätungen deutlich zu reduzieren.“

 Wann und wie?