Internalisierung der externen Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten des Deutschen Luftverkehrs

Kein Bock auf Flugscham: Von den 24 deutschen Verkehrsflughäfen sind laut Statistischen Bundesamtes im ersten Halbjahr 2019 fast 58,9 Millionen Passagiere abgehoben. Dies waren 4,1 % mehr als im Vorjahreszeitraum – ein neuer Allzeit (Negativ-)Rekord. Die Zahl der Passagiere mit Inlandsflügen stieg um 2,3 % auf rund 11,6 Millionen; das Passagieraufkommen ins Ausland nahm sogar um 4,5 % auf knapp 47,3 Millionen zu.

Der überwiegende Teil der Luftverkehrspassagiere übt ein preisgetriebenes Mobilitätsinteresse zu Lasten Dritter aus. Zur Auffüllung des persönlichen Instagram-Profils wird ignoriert, dass das (zumeist sinnarme) Hin- und Herfliegen extrem umweltbelastend ist. Die Gemeinkosten des Luftverkehrs sind jedoch ökonomisch höchst relevant: Das Schweizer Institut INFRAS hat – im Auftrag der Initiative „Allianz pro Schiene e.V.“ – die externen Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten des Straßen-, Schienen-, Luft- und Binnenschiffverkehrs in Deutschland für das Jahr 2017 ermittelt (Monetarisierung der jeweiligen Schäden). Unter „externen Kosten des Verkehrs“ versteht man diejenigen Kosten, die durch die einzelnen Mobilitätsteilnehmenden verursacht, jedoch nicht von ihnen selber getragen werden. Um diese zu begleichen, muss die Allgemeinheit einspringen.

Abb. 1: Prozentuale Aufteilung der externen Kosten des Verkehrs in Deutschland nach den KostenbereichenUnfälle“ (Verkehrsunfallkosten), „Vor- und nachgelagerte Prozesse“ (Folgekosten durch Emission von Treibhausgasen und Luftschadstoffen aus Herstellung, Unterhalt und Entsorgung von Energieträgern (Treibstoffe, Strom), Fahrzeugen, Verkehrsinfrastruktur); „Klima“ (Kosten infolge der Emission von Treibhausgasen und der daraus folgenden Klimaveränderung); „Natur- und Landschaft“ (Habitatverluste (durch Flächenverbrauch) und Habitatfragmentierung (Zerschneidung)); „Luftschadstoffe“ (Gesundheitskosten, Ernteausfälle, Gebäude- und Materialschäden sowie Biodiversitätsverluste infolge der Emissionen von Luftschadstoffen) sowie „Lärm“ (lärmbedingte Gesundheitskosten und Kosten durch Lärmbelästigung) für das Jahr 2017. Quelle: Allianz pro Schiene e.V. auf Basis von INFRAS

Von den im Jahr 2017 innerhalb Deutschlands entstandenen 149 Milliarden Euro an externen Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten entfallen 117 Milliarden Euro auf den Personenverkehr und 32 Milliarden Euro auf den Güterverkehr. Den größten Schadensanteil machen mit 41 % (61 Mrd. €) die Unfallkosten, gefolgt von den Kosten der vor- und nachgelagerten Prozesse (21 %, entsprechend 31 Mrd. €), den Klimakosten mit 18 % (27 Mrd. €), den Natur- und Landschaftskosten mit 9 % (13 Mrd. €), den Luftschadstoffkosten mit 6 % (10 Mrd. €) sowie den Lärmkosten mit 5 % (8 Mrd. €) aus.

Der Anteil des inländischen Luftverkehrs an den gesamten externen Kosten des Verkehrs innerhalb Deutschlands beträgt „nur“ 1,3 Milliarden Euro. Etwas mehr als die Hälfte (56 %) davon ist auf die Klimakosten zurückzuführen. Weitere 21 % entfallen auf die vor- und nachgelagerten Prozesse, 16 % auf Luftschadstoffe, 5 % auf den Lärm, 1 % sind Natur- und Landschaftskosten und rund 0,3 % gehen auf Unfälle zurück. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der rein inländische Luftverkehr nur einen kleinen Teil der gesamten luftverkehrsbedingten Belastungen ausmacht: Im Jahr 2014 wurden durch den Personenluftverkehr von und nach Deutschland (sowie innerhalb des Landes) insgesamt 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittiert. „Lediglich“ 1,7 Millionen Tonnen (3,6 %) entfielen davon auf den inländischen Luftverkehr, d.h. mit Start und Landung in Deutschland. Dagegen stammten ca. 30 Millionen Tonnen (64 %) aus dem internationalen Luftverkehr (Distanzklasse > 2.000 km). Die restlichen rund 15 Millionen Tonnen (ca. 32 %) verteilten sich auf die internationalen Flüge in den Distanzklassen 500 km bis 2.000 km. In der INFRAS-Schadensbilanz ist daher der Luftverkehr wesentlich unterrepräsentiert.

Die höchsten durchschnittlichen externen Kosten (ausgenommen das Motorradfahren) fallen mit 12,77 Cent pro Personenkilometer beim Inlandsluftverkehr an. Im Gegensatz dazu betragen die durchschnittlichen externen Kosten des schienengebundenen Personenfernverkehrs mit 2,08 Cent pro Personenkilometer lediglich ein Sechstel der des Luftverkehrs.

Abb. 2: Externe (durchschnittliche) Kosten des Personenverkehrs (Straße, Eisenbahn, Flugzeug) in Deutschland (in Cent pro Personenkilometer) unterschieden nach Kostenbereichen (Bezugsjahr 2017). Quelle: Allianz pro Schiene e.V. auf Basis von INFRAS

Externe Kosten des Verkehrs sind Folgekosten, die durch Mobilität entstehen, aber nicht von den Verkehrsteilnehmern selbst getragen werden. Stattdessen werden diese Kosten auf die Allgemeinheit oder auf kommende Generationen abgewälzt, durch Einbußen an Lebensqualität, durch höhere Steuern oder Krankenversicherungsbeiträge. Vermeiden, verbessern, verlagern – dies sind die drei Möglichkeiten zur Absenkung der externen Kosten des Verkehrs. Den mit Abstand größten Hebel bietet die Verlagerung hin zu Verkehrsträgern mit geringen externen Kosten.

Der Vergleich der externen (Mehr-)Kosten – verursacht durch Inlandsflüge gegenüber entsprechenden Bahnreisen – zeigt die nachfolgende Abbildung: Dargestellt sind die sieben am stärksten frequentierten inländischen Flugstrecken des Hamburger Verkehrsflughafens. Lesebeispiel: Die 600 km lange Flugstrecke von Hamburg nach München (und umgekehrt) haben im vergangenen Jahr insgesamt 1,75 Millionen Passagiere genutzt. Hierbei haben sie einen Folgeschaden (Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten) von 134 Millionen Euro verursacht. Hätten die Passagiere anstatt das Flugzeug zu nehmen die Bahn genutzt, wären für die 828 km lange Fahrtstrecke Folgekosten in Höhe von lediglich 30 Millionen Euro entstanden. Die von der Allgemeinheit (d.h. den Menschen, die den Schaden nicht verursacht haben) zu tragenden Mehrkosten belaufen sich allein für diese Städteverbindung auf 104 Millionen Euro pro Jahr! Die gesamten zusätzlichen Folgeschäden durch die Inlandsflüge von und zum „Helmut Schmidt-Airport“ im Jahr 2018 betragen 253 Millionen Euro! Dies bedeutet, dass eine viertel Milliarde Euro Gesundheits-, Umwelt- und Klimafolgekosten allein dadurch entstanden sind, dass 5,2 Millionen Passagiere – aus welchen (nichtigen) Gründen auch immer – anstatt mit der Bahn zu reisen geflogen sind.

Abb. 3: Externe Kosten (monetarisierte Gesundheits-, Umwelt-, Klimaschäden), verursacht durch Inlandsflüge von und zum Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ im Vergleich zu entsprechenden Kosten im Bahnverkehr

Im November 2016 hat die Bundesregierung den Klimaschutzplan 2050 zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens beschlossen. Mittelfristig sollen die Treibhausgasemissionen Deutschlands bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 reduziert werden. Für den Verkehrssektor ist ein Reduktionsbeitrag von 40 – 42 % gegenüber 1990 vorgesehen, um die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 zu erreichen. Hierzu zählt auch der nationale Luftverkehr. Die Treibhausgasemissionen des durch die deutschen Verkehrsflughäfen induzierten Luftverkehrs sind zwischen 1990 und 2014 jedoch um ca. 85 % gestiegen. Dieser Zuwachs resultierte ausschließlich aus dem internationalen Luftverkehr (aus Deutschland abgehende bzw. eingehende Flüge).

Im Jahr 1990 betrugen die deutschen Treibhausgasemissionen im Sektor „Verkehr“ insgesamt 164 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Im Jahr 2017 lagen sie mit 170,6 Mio. Tonnen sogar über dem Wert von 1990. Das Sektorziel der Bundesregierung, welches unter der Maßgabe erarbeitet worden war, den Klimawandel auf im globalen Mittel unter 2 °C zu begrenzen, liegt für 2030 bei 95 – 98 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Es ist aktuell nicht zu erkennen, wie die Bundesregierung dieses Ziel (ohne Taschenspielerbilanzierungstricks) auch nur annähernd erreichen will …

Fazit:

Die externen Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten bilden als Geldbetrag die negativen Begleiterscheinungen des Verkehrs ab: Schlechte Luft erzeugt Atemwegserkrankungen, Treibhausgasemissionen heizen das Klima auf. Lärm führt zu Schlafstörungen und ruft psychischen Stress hervor. Zerschnittene und asphaltierte Flächen beeinträchtigen unsere Lebensqualität und zerstören die Artenvielfalt. Im Ergebnis ein Milliardenschaden für die Gesellschaft. Externe Kosten zeigen somit auch auf, wie teuer unterlassener Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz für die Gesellschaft ist. Sie untermauern damit die ökonomische Notwendigkeit anspruchsvoller Schutzziele.

Die Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs erfolgt dadurch, dass bisher von der Gesellschaft zu tragende Allgemeinkosten zum Bestandteil der einzelwirtschaftlichen Kostenrechnung gemacht werden. Hierbei wird das Ziel verfolgt, die durch die jeweiligen Belastungen (Schäden) auftretenden externen Kosten mit Hilfe von Preisen dem Verursacher zuzurechnen (Verursacherprinzip). Die verursachergerechte Internalisierung der externen Kosten stellt daher einen wichtigen Nachhaltigkeitsaspekt dar. Da dies bisher nur unzureichend geschieht, gibt es keine hinreichenden wirtschaftlichen Anreize, die Belastungen für Mensch, Natur und Umwelt entsprechend zu senken. Dies verzerrt den Wettbewerb und hemmt die Entwicklung und Marktdiffusion weniger schädlicher Techniken und Produkte. Die Folge ist ein finanzieller Fehlanreiz zugunsten von stärker gesundheits-, umwelt- und klimabelastenden Verkehrsträgern, da für die jeweiligen Nutzer keine Kostenwahrheit besteht. Bestünde diese, müsste beispielsweise ein Hin- und Rückflug von Hamburg nach München die externen Folgekosten in Höhe von 153 Euro mit einpreisen.

Wer die durch sein Mobilitätsverhalten verursachten Gesundheits-, Umwelt- und Klimakosten reduzieren will, bleibt am Boden und nutzt die Bahn! Ansonsten sind die externen Folgekosten zu internalisieren, d.h. von den Verursachern vollumfänglich zu tragen. Die hierfür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen hat die sogenannte „Klimaschutzkommission“ der aktuellen Bundesregierung zu schaffen.

 

Quellen:

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2018): Verkehr in Zahlen 2018/2019

Bundesverband gegen Fluglärm (2019): Klimaschutz und Luftverkehr

European Commission (2019): Handbook on the external costs of transport

INFRAS (2019): Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland

NGO Luftverkehrskonzept (2015): Schritte zu einem zukunftsfähigen und umweltverträglichen Luftverkehr in Deutschland

Sachverständigenrat für Umweltfragen (2017): Klimaschutz im Verkehrssektor

Umweltbundesamt (2016): Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050

Umweltbundesamt (2018): Szenario Luftverkehr Deutschland unter Einbezug von Umweltaspekten

Umweltbundesamt (2019): Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Methodische Grundlagen

Umweltbundesamt (2019): Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Kostensätze