Scheinlösung PTL

Der weltweite Verbrauch des gesundheitsschädlichen und umweltgefährdenden Flugzeugtreibstoffs Kerosin – verursacht durch den kommerziellen Luftverkehr – betrug im vergangenen Jahr 356 Mrd. Liter. Bei dessen Verbrennung wurden knapp eine Milliarde Tonnen klimarelevantes Kohlenstoffdioxid (CO2) ausgestoßen. Gemäß Kostensatz des Umweltbundesamtes (UBA) von 180 Euro pro Tonne CO2, entstand hierdurch ein weltweiter luftverkehrsbedingter Klimaschaden von 177 Mrd. Euro. Größtenteils zu „bezahlen“ von den Menschen in den Regionen der Welt, die den geringsten Anteil an dieser Form der globalen Umweltverschmutzung haben; mit ihrem Hab und Gut, mit ihrem Leben.

Der „Bund Deutscher Luftverkehrslobbyisten“ (BDL) ist sich der Umweltschädlichkeit des Fliegens bewusst. Aus diesem Grund möchte der BDL erreichen, dass die luftverkehrsbedingten CO2-Emissionen auf null sinken. In diesem Zusammenhang ist sich der BDL sicher, dass dieses Ziel nur erreichbar sei, wenn das fossile Kerosin durch regenerative Kraftstoffe ersetzt wird. Die – nach Ansicht des BDL – derzeit auch ökologisch beste Lösung sei ein Kraftstoff, der im sogenannten „Power-to-Liquid (PTL)“-Verfahren gewonnen wird.

PTL als Klimaretter im Luftverkehr?

Unter dem Begriff „Power-to-Liquid“ (PTL) ist die Herstellung flüssiger Kraftstoffe (z.B. Kerosin) aus elektrischem Strom unter Zuhilfenahme von Wasser und Kohlenstoff zu verstehen. Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren:

Sabatier-Prozess (1902): Zuerst wird elektrische Energie genutzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten (Elektrolyse). Der Wasserstoff reagiert anschließend mit Kohlendioxid aus der Luft zu Methan (CH4). In weiteren Verfahrensschritten ist es möglich, beliebig langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle zu synthetisieren. Das Ergebnis sind e-Benzin, e-Diesel oder e-Kerosin, deren Eigenschaften den fossilen Kraftstoffen ähneln oder gleichen.

Fischer-Tropsch-Synthese (1925): Verfahren zur Kohleverflüssigung durch indirekte Hydrierung von Kohle. Durch die Kohlevergasung entsteht zunächst ein Synthesegas (Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff). Das Synthesegas wird anschließend heterogenkatalytisch in ein breites Spektrum gasförmiger und flüssiger Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Das Ergebnis sind, wie beim Sabatier-Prozess, langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle, die als e-Benzin, e-Diesel oder e-Kerosin weiter aufbereitet werden können.

Bei der PTL-Technik handelt es sich somit um altbekannte Verfahren, die sich jedoch aufgrund des immensen Energieaufwandes – und der damit verbundenen sehr hohen Erstellungskosten – nicht durchsetzen konnten. Ursache für diese betriebswirtschaftliche nicht aufhebbare Schieflage ist der energetisch ineffiziente Herstellungsprozess.

Im Zusammenhang mit der Energieeffizienz von PTL-Kraftstoffen (ob e-Kerosin oder e-Diesel ist hierbei unerheblich), berichtet die Zeit vom 13. März 2018, dass aktuell zur Produktion eines Liters e-Diesel 27,3 Kilowattstunden (kWh) Strom notwendig sind. Übertragen auf den Verbrauch eines Mittelklassewagens bedeutet dies: Ein VW Golf TDI (BJ 2017) hat einen Durchschnittsverbrauch von rund sechs Liter Diesel auf 100 Kilometer. Der Kraftstoffverbrauch des elektrisch hergestellten e-Diesels ist genauso hoch. Für dessen Erzeugung werden daher ca. 164 kWh Strom benötigt. Zum Vergleich verbraucht ein batterieelektrischer E-Golf nur rund 16 kWh pro 100 Kilometer. Selbst wenn man dabei großzügig 30 % Energieverlust (Produktion, Transport, Speicherung, Umwandlung) annimmt, ergibt dies im Ergebnis einen Stromverbrauch von ca. 23 kWh/100 km. Das heißt: Um das Beispielfahrzeug mit e-Diesel anzutreiben, ist mehr als sieben Mal so viel elektrische Energie nötig wie für ein batterieelektrisches Äquivalent – keine gute Ökobilanz! Außerdem: Die Herstellungskosten von e-Diesel liegen derzeit bei ca. 4,50 Euro pro Liter Dieseläquivalent; ohne jeglichen Steueranteil, ohne Vertriebskosten, ohne Gewinnmarge.

Die internationale Umweltorganisation „Transport & Environment“ hat errechnet, dass, um 50 % der im Jahr 2050 innerhalb Europas für die kommerzielle Luftfahrt benötigten Kerosin-Menge mittels PTL-Verfahren herzustellen, 880 Terrawattstunden (TWh) zusätzliche elektrische Energie notwendig wären. Dies entspricht ca. 24 % des aktuellen Strombedarfs insgesamt innerhalb der Europäischen Union von ca. 3.655 TWh. Etwas plakativ ausgedrückt: Damit der Luftverkehr sich zukünftig ein „grünes Klimagewissen“ machen kann, indem er zu 100 % mit e-Kerosin fliegt, müssten bei der Hälfte aller Haushalte sowie dem Gewerbe und der Industrie nicht nur die Lichter ausgehen, sondern die gesamte Stromversorgung gekappt werden.

Noch absurder wird es, wenn man versucht dem Ansatz Glauben zu schenken, dass das e-Kerosin mittels Überschuss-Windenergie erzeugt werden könnte: In Deutschland wurden 2017 insgesamt 600 TWh Strom gebraucht/verbraucht. Davon wurden 105,5 TWh in Windkraftanlagen erzeugt (Onshore 87,2 TWh, Offshore 18,3 TWh); dies entspricht 17,6 %. Die Ausfallquote, d.h. die abgeregelte Einspeisung sämtlicher Erneuerbaren Energien, betrug 2017 „lediglich“ rund 5,6 TWh.

Allein die Deutschen Fluggesellschaften benötigten 2017 für ihren Flugbetrieb 10,4 Mrd. Liter Kerosin. Um diesen elektrisch herzustellen, wären ca. 284 TWh Strom erforderlich. Die sogenannte Überschuss-Windenergie könnte daher, unter der sehr eignungshöffigen Annahme, dass dieser Anteil zu 100 % für e-Kerosin nutzbar wäre, lediglich 2 % des Kerosinbedarfs abdecken!

Fazit:

Die Süddeutsche Zeitung vom 04. August 2019 bringt es auf den Punkt: Die Vorschläge der Luftfahrtindustrie zum Klimaschutz sollen nur echte Politik vereiteln. Pilotprojekte sollen helfen, Kerosin durch (angeblich) saubere Alternativen zu ersetzen – natürlich mit erheblicher finanzieller Unterstützung durch den Bund; d.h. dem Steuerzahler. Fluggäste sollen ihren ökologischen Fußabdruck in der Erdatmosphäre kompensieren können. Es sind lauter Vorschläge auf rein freiwilliger Basis, versteht sich. Hierdurch sollen lästige Auflagen für die Branche abgewendet werden und das ramponierte Umweltimage wieder aufgebessert werden. Der Trick ist alt. Jedoch: Die Politik und die Bevölkerung sollten sich von den (angeblichen) Angeboten nicht blenden lassen …

P.S.: Das e-Kerosin stellt somit ein weiteres Luftverkehrsinstrument zum Austricksen des Klimaschutzes dar; vergleichbar zu CORSIA