Recht und Ordnung

Es ist allgemein anerkannt, dass Fluglärm Mensch und Tier schadet. Fluglärm wird wegen seiner starken Intensität, der hohen Frequenzen und der stoßförmigen Wiederholung von Spitzenschallpegeln als besonders störend empfunden. Werden Fluglärmwirkungen sinnhafter Weise am Anspruch auf somatisches, psychisches und soziales Wohlempfinden – d.h. dem Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – gemessen, sind die von Flugzeugen emittierten Schalldruckpegel als ernste Beeinträchtigung der Gesundheit aufzufassen.

Entscheidende Fluglärm-Belastungskriterien sind physische und psychische Schädigungen (z.B. Bluthochdruck, Depressionen), Beeinträchtigungen der schulischen und beruflichen Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Auslösen von Erschrecken und Furchtassoziationen, Verursachung von Nervosität und Aggressivität. Fluglärm stellt eine herausragende Belastungsform dar, da er ungefiltert von allen Seiten (unmittelbar als auch reflektiert) in das gesetzlich besonders geschützte private Wohn- und Lebensumfeld eindringt. Als gesundheitlich-soziale Störquelle ist Fluglärm auch deswegen einzustufen, weil er zu einem deutlich geminderten Erholungswert des Zuhauses führt, was insgesamt im Verlust an Lebensqualität mündet – Fluglärm raubt gesunde Lebensjahre.

Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) schützt den Staatsbürger nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe; vielmehr folgt aus seinem objektiv-rechtlichen Gehalt die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die in Art. 2 Abs. 2 GG genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren.

Wird der Begriff der körperlichen Unversehrtheit mit dem der Gesundheit im WHO-Sinne – d.h. als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen – in Verbindung gesetzt, ist Fluglärm nicht nur wegen seiner somatischen, sondern bereits aufgrund seiner das psychische und soziale Wohlbefinden beeinträchtigenden Auswirkungen effektiv zu bekämpfen, d.h. quellnah zu vermeiden, zu vermindern und zu begrenzen.

Abb.: Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 1789, Jean-Jacques-François Lebarbier. Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, die Menschenrechte seiner Mitmenschen zu respektieren. Die körperliche Unversehrtheit – d.h. der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens – stellt ein Grundrecht dar.

Der Betrieb des innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“ in Hamburg-Fuhlsbüttel verursacht massive Umweltbelastungen durch die Emissionen von Lärm und Dreck. Hierunter leiden ca. 250.000 Bürgerinnen und Bürger. Versuche, die Belastungen auf ein dauerhaft verträgliches Maß zu begrenzen, gibt es bereits seit den 1950er Jahren (vgl. NoFlyHAM-Beitrag „Ein erhellender Blick zurück“). Zwei maßgebliche Instrumente, sowohl die Anzahl der Betroffenen als auch den Grad der individuellen Betroffenheit zu reduzieren, sind die Nachtflugbeschränkungen und die Bahnbenutzungsregelung. Beide sind fester Bestandteil der Betriebsgenehmigung der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) aus dem Jahr 1967. Die Beachtung dieser Vorgaben war in den vergangenen Jahren mangelhaft; spätestens seit 2016 ist sie ungenügend (vgl. NoFlyHAM-Beitrag „Regelkunde“).

Mit der penetranten Missachtung der Nachtflugbeschränkungen und der Bahnbenutzungsregelung wird gegen geltendes Recht verstoßen. Im Planfeststellungsbeschluss der Hamburger Wirtschaftsbehörde für die „Erweiterung des Vorfeldes 2 auf 23 Abfertigungspositionen sowie für weitere Infrastrukturmaßnahmen und für den Bau eines Vorfeldes 3 für die allgemeine Luftfahrt“ vom Mai 1998 finden sich folgende Passagen zu den seitens der Flughafenhalterin (FHG) hinzunehmenden betrieblichen Einschränkungen:

  • Für Landungen von Luftfahrzeugen mit einem höchstzulässigen Landegewicht von mehr als 200.000 kg ist RWY 05 oder RWY 15 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Für Starts ist RWY 33 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die Verkehrslage oder Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Starts auf RWY 15 und Landungen auf RWY 33 sind nur zulässig, wenn Gründe der Luftverkehrssicherheit; insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Von 2100 bis 0600 (2000 bis 0500) ist für Landungen RWY 15 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die für das IFR-Anflugverfahren zur RWY 15 festgelegten Wetterminima nicht erfüllt sind, ferner aus Gründen der Luftverkehrssicherheit, wenn die Bahnverhältnisse dazu zwingen und bei Vorliegen außergewöhnlicher Verkehrslagen.

Nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde handelt es sich bei der Bahnbenutzungsregelung um einen Teil der Flughafengenehmigung nach § 5 Luftverkehrsgesetz (LuftVG). Diese regelt die Bahnbenutzung für alle Benutzer des Flughafens und für die Deutsche Flugsicherung (vgl. zur Rechtsstellung der Flugsicherung §§ 27 e und 27 d LuftVG) verbindlich.

Nach Urteilsbegründung des Hamburger Oberverwaltungsgerichtes (OVG HH 3E 32/98 P) vom 03.09.2001 gelten für den Betrieb des Hamburger Verkehrsflughafens nach Maßgabe der Genehmigung (s.o.) jeweils die im Luftfahrthandbuch für die Bundesrepublik Deutschland aufgeführten örtlichen Flugbeschränkungen:

Für den Nachtflugverkehr bestehen seit dem 1. April 1998 unter Berücksichtigung der durch den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1997 (Sachakte Band 17) verfügten Änderungen folgende Einschränkungen (Fluglärmschutzbericht 1998, Anlage 7; die Zeitangaben beziehen sich auf Greenwich-Zeit, die in Klammern genannten Zeiten gelten während der gesetzlichen Sommerzeit)

Einschränkungen des Nachtluftverkehrs

  • Strahlflugzeuge ohne Lärmzulassung nach ICAO-Anhang 16: Starts und Landungen sind in der Zeit von 1900 bis 0600 (1800 bis 0500) unzulässig.
  • Strahlflugzeuge mit Lärmzulassung nach ICAO-Anhang 16, Band 1, Kap. 2:
    • Starts sind in der Zeit von 1900 bis 0600 (1800 bis 0500) unzulässig.
    • Landungen sind in der Zeit von 2000 bis 0600 (1900 bis 0500) unzulässig.
    • Für Starts im planmäßigen Fluglinien- und regelmäßigen Pauschalflugreiseverkehr, deren planmäßige Abflugzeit vor 1900 (1800) liegt, gilt im Rahmen nachweisbar unvermeidbarer Verspätungen eine Ausnahmegenehmigung von den Nachtflugbeschränkungen bis 2000 (1900) als erteilt.
  • Strahlflugzeuge mit Lärmzulassung nach ICAO-Anhang 16, Band 1, Kap. 3 und Flugzeuge mit Propellerantrieb:
    • Bei Starts und Landungen im planmäßigen Fluglinien- und regelmäßigen Pauschalflugreiseverkehr, deren planmäßige Ankunfts- oder Abflugzeit vor 2200 (2100) liegt, gilt im Rahmen nachweisbar unvermeidbarer Verspätungen eine Ausnahmegenehmigung von der Nachtflugbeschränkung bis 2300 (2200) als erteilt.
    • Die Nachtflugbeschränkungen gelten nicht für Luftfahrzeuge, die nachweisbar aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen den Flughafen Hamburg als Ausweich- oder Notflughafen benutzen,
    • die sich im Katastrophen-, medizinischen Hilfeleistungs-, Such-, Rettungs- oder dringenden polizeilichen Einsatz befinden,
    • die – nach näherer Bestimmung durch die Wirtschaftsbehörde – im Nachtluftpostdienst der Deutschen Post AG eingesetzt sind.

Bahnbenutzungsregelungen

  • Für Landungen von Luftfahrzeugen mit einem höchstzulässigen Landegewicht von mehr als 200.000 kg ist RWY 05 oder RWY 15 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Für Starts ist RWY 33 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die Verkehrslage oder Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Starts auf RWY 15 und Landungen auf RWY 33 sind nur zulässig, wenn Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse, dazu zwingen.
  • Von 2100 bis 0600 (2000 bis 0500) ist für Landungen RWY 15 zu benutzen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die für das IFR-Anflugverfahren zur RWY 15 festgelegten Wetterminima nicht erfüllt sind, ferner aus Gründen der Luftverkehrssicherheit, wenn die Bahnverhältnisse dazu zwingen und bei Vorliegen außergewöhnlicher Verkehrslagen.

Zusätzlich macht das OVG deutlich, dass der Nachtflugverkehr in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Ortszeit) in seinem Aufkommen und in seiner Verteilung auf die Nachtstunden maßgeblich durch die bestehenden Nachtflugbeschränkungen für den Flughafen Hamburg bestimmt wird. Im Hinblick auf den gegenläufigen Flugverkehrsbetrieb in der letzten Betriebsstunde verweist das OVG darauf, dass die in dieser Zeit durchschnittlich zu erwartenden zwei Starts gelegentlich nicht in den Landeverkehr auf derselben Bahn (RWY 33/15) eingefädelt werden können; die „Problemlösung“ aus OVG-Sicht daher nahe läge, diese (wenigen) Starts – und nicht die viel größere Zahl von Landungen – ausnahmsweise auf die Start- und Landebahn I (RWY 05/23) zu verlagern.

Exkurs: Wertebestimmende Definitionen im Verwaltungsrecht zu Recht, Regeln, Ordnung, Ordnungsstörung, öffentlicher Friede, öffentliches Recht, Verwaltungsverfahren, Genehmigung, Erlaubnis, Bewilligung, Auflagen, Bedingungen

Fazit:

Sowohl die Nachtflugbeschränkungen als auch die Bahnbenutzungsregelung (in der aktuell gültigen Fassung vom 30.05.2013 – Luftverkehrshandbuch Deutschland (AIP)) sind verbindlich. Dies ist zwischen den direkten bzw. indirekten Belastungsverursachern und den Betroffenen unstreitig. Zumindest zwischen Bürgerschaft, Umweltbehörde und Betroffenen wird ebenso einvernehmlich die Erkenntnis geteilt, dass die Regeleinhaltung durch den Zustandsstörer (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) und die Handlungsstörer (Fluggesellschaften, Deutsche Flugsicherung GmbH – DFS) mangelhaft bis ungenügend ist. Es stellt sich daher die Frage nach Art und Weise der Störerhaftung.

Es gibt (nur noch) zwei Möglichkeiten, um den bestehenden gravierenden Missstand hinsichtlich der Missachtung bestehender Schutzvorkehrungen vor vermeidbarem, d.h. unzumutbarem Fluglärm am Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ zu heilen und damit verbunden eine – für alle Beteiligten zeitlich und monetär sehr aufwändige – rechtliche Auseinandersetzung zu verhindern:

  1. Die Reduzierung der Koordinationseckwerte (d.h. der maximal zulässigen Anzahl an Starts und Landungen in der letzten und ersten Betriebsstunde von derzeit 48 Stück pro Stunde auf zukünftig 18 – 24 Stück pro Stunde. Kapazitätssteuernde Vorgabe ist die Durchführung eines sicheren und zuverlässigen Gegenanflugbetriebes von 22 Uhr bis 7 Uhr, in Abhängigkeit der Wechselhäufigkeit von Starts und Landungen.
  2. Entzug der Betriebsgenehmigung für den Flughafenbetreiber (FHG), da dieser entweder nicht Willens oder/und nicht in der Lage ist, einen ordnungsgemäßen – d.h. regelkonformen – Flugbetrieb zu gewährleisten; das bestehende Missmanagement gefährdet die öffentliche Ordnung.

Einhergehend mit dem Entzug der Betriebsgenehmigung steht die Gründung einer gemeinnützigen Flughafenbetreibergesellschaft (gGmbH) bzw. einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR), die die Geschäftsführung des Flughafens unter der Prämisse der Stadtverträglichkeit übernimmt. Als stadtverträglich gelten im gegebenen Zusammenhang: (1) Einführung und Umsetzung eines echten Nachtflugverbotes; werktags zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, an Sonn- und Feiertagen zwischen 22 Uhr und 8 Uhr; (2) Erstellung einer „Weißliste“ mit weniger lauten Flugzeugtypen (bisherige Lärmklassen 1 bis 3), die in Hamburg starten und landen dürfen; (3) Festschreibung eines Koordinationseckwertes ganztägig von 20 Starts und Landungen pro Stunde – dies entspricht einem Flugbewegungskontingent von maximal 115.000 Flugbewegungen pro Jahr.