Phantomstreik gegen prekäre Arbeitsverhältnisse ?

Warnstreik der Beschäftigten der Flugzeug- und Gepäckabfertigung, des Terminal-Busverkehrs sowie von Reinigungsdiensten am Hamburger Flughafen „Helmut Schmidt“ (HA, 08.02.17). In der Tarifauseinandersetzung geht es sowohl um eine Lohnerhöhung als auch um die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse. Konkret wird ein Plus von 250 Euro pro Monat gefordert; angeboten werden 25 Euro. Außerdem sollen grundlose Befristungen und Teilzeitverträge mit wenigen Arbeitsstunden abgeschafft werden. Diese betreffen jeden fünften Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste. Mit einem Einstiegs-Stundenlohn für die ersten sechs Monate von 9,02 Euro bildet Hamburg deutschlandweit das Schlusslicht in diesem Bereich. Ein solcher Stundenlohn liegt deutlich unterhalb der von der Bundesregierung mit 10 Euro angegebenen Niedriglohnschwelle …

Laut Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) sind bei den Bodenverkehrsdiensten zurzeit rund 910 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, von denen ca. 690 Personen für das Gepäck und die Flugzeugabfertigung zuständig sind. Wenn 20 % dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offensichtlich in prekären Arbeitsverhältnissen angestellt sind, lässt dies aufhorchen. Besonders interessant wird es in Verbindung mit den Antworten des Senats – die auf Grundlage von Auskünften der FHG erfolgt sind – auf die Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch vom 05.01.17 (SKA 21/7443). Demnach soll es bei der FHG keine Beschäftigten geben, die weniger als 10 Euro brutto pro Arbeitsstunde verdienen. Insgesamt sollen laut Senat auch nur 726 Personen bei der FHG angestellt sein. Das Hamburger Abendblatt weist jedoch in seiner Jahresstatistik für die FHG mehr als 1.800 Angestellte aus. Wie passt dies alles zusammen?

Martin Mosel von der Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) hat bereits vor mehr als einem halben Jahr auf die prekären Arbeitsverhältnisse am Flughafen „Helmut Schmidt“ deutlich hingewiesen. Bei lediglich 1,15 m Arbeitshöhe Koffer von 20 kg und mehr im Akkord aus- und einzuladen erinnert mehr an mittelalterlichen Bergbau als an einen modernen Flughafenbetrieb. Statt Verladecontainer mit der dazugehörigen gesundheitsschonenden Technik einzusetzen, wird – wegen des immer weiter zunehmenden Kosten- und Effizienzdrucks – jedes Gepäckstück einzeln mühsam per Hand aus- und eingeladen. „Knechten für die Billigflieger“ war sein damaliges Fazit – es gilt unverändert.

Arbeitsbedingungen im Bergbau, Mitte des vergangenen Jahrhunderts (Quelle: Bundesarchiv)

Einer Analyse der Hans-Böckler-Stiftung zur Beschäftigungssituation in der Luftfahrtbranche aus dem Jahr 2016 ist zu entnehmen, dass sich die Arbeitsplätze am Hamburger Flughafen immer mehr vom „good job“ zum „bad job“ entwickeln. Geforderte Flexibilität, wachsende Konkurrenz unter den Anbietern und eine starke Fragmentierung der Branche führen dazu, dass immer mehr Beschäftigte entweder als Leiharbeitnehmer/innen oder (Schein-)Selbstständige arbeiten, befristete Arbeitsverträge erhalten oder in Teilzeit beschäftigt werden. Über den Einsatz von Leiharbeit und/oder flexible Teilzeitarbeit wird das Risiko von Auftragsschwankungen inzwischen mehr und mehr auf die Beschäftigten verlagert.

Zurück zum aktuellen Streit: Der Fluglobbyverband „ADV“ nannte die Warnstreiks unangemessen. Wörtlich gibt Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel von sich: „Es ist nicht hinzunehmen, dass Ver.di die Flughäfen als öffentlichkeitswirksame Bühne zur Durchsetzung ihrer Forderungen schädigt und die Belange der Reisenden dabei völlig ausblendet. Konfrontation und sich verhärtende Fronten können und dürfen nicht das Ziel sein. Ein zwingendes Schlichtungsverfahren ist dringend erforderlich. Neue politische Rahmenbedingungen müssen der Maßlosigkeit der Streiks ein Ende setzen.“

Irene Hatzidimou, Verhandlungsführerin von Ver.di Hamburg, erwidert hierauf zu Recht: „Die Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag dafür sorgen, dass Tausende Passagiere pünktlich und sicher fliegen, müssen endlich am Erfolg des Hamburger Flughafens teilhaben.“ Janet Niemeyer, FHG-Pressesprecherin, erklärt hierzu, dass „unter Berücksichtigung der äußeren Einflussfaktoren eine Weiterentwicklung der Löhne aller Beschäftigten ermöglicht werden solle. Insbesondere die Einstiegslöhne sollen attraktiver werden.“ Außerdem weist sie darauf hin, dass die Streikbeteiligung nicht sehr stark gewesen sei, so dass die Bodenverkehrsdienste ihren Service weitestgehend sicherstellen konnten. Nach Ver.di-Sprecher Björn Krings war dies jedoch nur möglich, indem der Arbeitgeber (FHG) den Flugbetrieb mit Leiharbeitern – die als Streikbrecher missbraucht wurden – aufrechterhalten hat.

Mal sehen, ob ADV & Co einen Konsens erzwingen können …