Bezugsebene

Zur Zeit der Einführung der ersten Generation von strahlgetriebenen Luftfahrzeugen in den 1960er Jahren bestanden noch keine Vorschriften für die zulässigen Lärmemissionen. Ein gestiegenes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung zwang jedoch dazu, sich auf internationaler Ebene auf eine Festlegung von einheitlichen Lärmbestimmungen zu einigen. Im Jahr 1971 wurde durch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) mit dem Band I des Anhang 16 (Annex) zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt Richtlinien zur Begrenzung der Schallabstrahlung bei zivilen Luftfahrzeugen geschaffen. Danach werden Luftfahrzeuge mit bestimmten Triebwerken festgelegten Kapiteln zugeordnet, die durch Lärmgrenzwerte definiert sind. Die Standards beziehen sich auf die Lärmentwicklung der Luftfahrzeugtriebwerke an festgesetzten Start-, Lande- und Überflugmesspunkten und werden in Dezibel (dB) gemessen.

Mit dem Fortschritt der Triebwerksentwicklung wurden von der ICAO im Jahr 1979 neue Richtlinien verabschiedet, die zu den Kapitel 3-Bestimmungen (Annex 16, Chapter 3) führten. Im Jahr 1990 wurde vereinbart, die nach Kapitel 2 zugelassenen Luftfahrzeuge bis zum Jahr 2002 außer Dienst zu stellen. Dies bedeutet, dass in Europa (und damit verbunden auch am innerstädtisch gelegenen Verkehrsflughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel) seit dem 1. April 2002 alle Luftfahrzeuge mindestens die Lärmbestimmungen nach Kapitel 3 einzuhalten haben.

Seit Januar 2006 müssen alle neu zugelassenen Maschinen gemäß ICAO-Vorgaben den Gesamtlärm der Luftfahrzeuge um zehn Dezibel gegenüber dem vorherigen Standard (Kapitel 3-Basiswert) reduzieren. Da es sich jedoch um einen kumulierten Gesamtwert handelt, reicht es aus, wenn an jedem der drei vorgeschriebenen Lärmmesspunkte eine Reduzierung von rund drei Dezibel erreicht wird. Der größte Teil aller aktuell in Produktion befindlichen Kapitel 4-Verkehrsflugzeuge weist gegenüber dem Kapitel 3 sogar eine Verbesserung von bis zu 20 Dezibel auf.

Seit dem Januar 2018 müssen alle neu zugelassenen Flugzeugmuster dem Kapitel 14 entsprechen. Hier liegt der Grenzwert für die Summe der drei Messpunkte um sieben Dezibel niedriger als bei den ersten Kapitel 4-Flugzeugen. Die europäischen Instanzen haben allerdings keinen Zeitplan für die Außerbetriebsetzung älterer Flugzeuge festgelegt, die lediglich den Normen für Geräuschemissionen der vorherigen Phase(n) entsprechen. Lärmabhängige Start- und Landeentgelte dürfen leider nur sehr begrenzt als Steuerungsinstrument des Schutzes vor Fluglärm eingesetzt werden. Auch aus diesem Grund fehlen weitreichende Anreize für die Fluggesellschaften, rasch auf modernere, etwas weniger lärmende Flugzeuge umzurüsten.

Während ein VW Golf der ersten Baureihe noch gänzlich ohne Abgasreinigung (geschweige geregeltem Katalysator) durch die Gegend fuhr, mussten die Fahrzeuge der dritten Baureihe die Anforderrungen der Euro 1-Norm erfüllen. Bei der fünften Baureihe waren es dann bereits die Umweltkriterien der Euro 4-Norm und für die jüngste Baureihe (VII) gilt die Abgasnorm Euro 6c. Niemand käme auf die Idee, den Abgasausstoß eines Golf VII des Baujahrs 2018 damit zu rechtfertigen, dass die Abgasfahne eines Golf I von 1974 doch wesentlich größer gewesen sei. Ein derart rückwärtig gerichteter Vergleich wäre absurd. Zur Rechtfertigung des aktuellen Fluglärmteppichs, verursacht durch den Betrieb des innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafens „Helmut Schmidt“, wird aber genau dies versucht: Es wird ein (allzu) schlichter Vergleich mit dem Jahr 1975 hergestellt. Als ob es seitdem keine entsprechenden Lärm-Klassifizierungen (Chapter) gegeben hätte (s.o.).

Die Angaben zur Entwicklung des Fluglärmteppichs am „Helmut Schmidt-Airport“ entstammen dem November-Monatsbericht der Flughafen Hamburg GmbH (FHG). Abgesehen davon, dass sowohl die Berechnung des (theoretischen) Fluglärmteppichs des Jahres 1975 methodisch sehr fraglich ist, verbietet sich eine Darstellung der Zeitachse, bei der die Jahre 1975, 1989, 1997, 1999, 2008 und Folgejahre direkt nebeneinander stehen. Eine derartige mehrfache Achsenunterbrechung ist hochgradig unseriös. Sie dient einzig dem Zweck der Manipulation.

Im Jahr 1998 wurde mit dem sogenannten Fluglärmkontingent ein dauerhaftes Lärm-Verschmutzungszertifikat für den Betrieb des Hamburger Verkehrsflughafens beschlossen. Dieses besagt, dass die räumliche Ausdehnung der 62 dB(A)-Fluglärm-Dauerschall-Isophone nicht mehr als 20,4 km² betragen soll. Grundlage für diese Zahl bildeten die Lärmemissionen der sechs flugverkehrsreichsten Monate des Vorjahres, d.h. des Jahres 1997. Seinerzeit wurde dieses Belastungszertifikat – wider besseren Fachwissens – weit im Übermaß erteilt, da zum Zeitpunkt der Festlegung bereits feststand, dass ab dem Jahr 2002 das Verbot der überlauten Chapter 2-Flugzeuge wirksam werden würde. Somit werden seit der Kontingentierung Jahr für Jahr 34.000 bis 66.400 Flugbewegungen „Lärmreserve“ vorgehalten. Dies stellt eine unzulässige Bevorratungserlaubnis dar; das Fluglärmkontingent erweist sich als „fliegender Lärmteppich“, eine schützende Steuerungswirkung fehlt in Gänze! Aus diesem Grund stellt die jährliche „Erkenntnis“ der Kommission zum Schutz des Fluglärms (FLSK), dass das jeweils aktuelle Flugjahr das Fluglärmkontingent sicher eingehalten hätte, inhaltlich eine Farce dar.

Aus der Reihung des jährlichen Fluglärmteppichs wird deutlich, dass – entgegen der Falschbehauptung der FHG, es bestände eine annähernd konstante Lärmkontur, da die Fluggäste in immer modernere und leisere Flugzeuge steigen würden – zu Beginn des Jahrtausends (2001 – 2004) die Größe des Fluglärmteppichs mit 11,2 – 11,9 km² wesentlich kleiner war als in den drei letzten Jahren. Die Jahre 2016 – 2018 stellen mit einem Fluglärmteppich von 14,0 – 14,7 km² die (bisher) drei lautesten Jahre des Jahrtausends dar. Dieses Missverhältnis zeigt sich auch darin, als dass selbst das Jahr 2007 – das mit 173.500 Starts und Landungen bisher flugverkehrsreichste Jahr – erst an vierter Stelle der Lärmrangliste steht. Dies bedeutet, dass vor 10 Jahren mit deutlich mehr Flugbewegungen (15.000 – 16.500 zusätzliche Starts und Landungen) weniger Fluglärm produziert wurde.

Mit dieser Erkenntnis kann dann auch die zweite FHG-Aussage „von August bis Oktober 2018 konnte die Anzahl der Flugbewegungen des Airbus-Typs „neo“ in Hamburg um fast 80 Prozent gegenüber 2017 gesteigert werden“ ins rechte Licht gerückt werden. Der Anteil der etwas weniger lärmenden Flugzeuge der „Neo-Generation“ am Gesamt-Flugverkehrsaufkommen am „Helmut-Schmidt-Airport“ stieg von 0,9 % im Jahr 2017 auf 1,6 % im Jahr 2018. Im eigentlichen Sinn (d.h. dem physikalischen) ein Quantensprung des Fluglärmschutzes!