Unverhältnismäßig

Fliegen sei das neue Öko“ hieß es in einer peinlich dreist-dummen Werbung der Luftverkehrsbranche. Zum Glück wurde dieser Blödsinn mittlerweile durch seriöse Arbeiten (z.B. SRU (2014), NGO-Luftverkehrskonzept (2015), DB-Drs. 18/4331 (2015), UBA (2016), Lehmann (UBA 2017), Mahler (FÖS 2017), Myck (UBA 2017), Reh (BUND 2017), Umweltbundesamt (2017)) widerlegt. Fakt ist, dass der Luftverkehr in immer größer werdendem Maße Mensch und Umwelt schädigt. Beispielsweise verursacht ein Hin- und Rückflug zwischen Hamburg und Palma de Mallorca im Durchschnitt 1.200 kg CO2 pro Passagier (!). Dies entspricht der Hälfte des jährlichen CO2-Budgets eines klimaschutzbewussten Menschen. Anders ausgedrückt: Jeder Flug von Frankfurt nach San Francisco zerstört pro Passagier (!) 5 m² Grönlandeis; unwiederbringlich. Warum auf Basis dieser mittlerweile allgemein bekannten Tatsachen jedoch am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen jeder Passagierrekord durch die kommerzielle Betreibergesellschaft (Flughafen Hamburg GmbH – FHG) großspurig medial bejubelt wird, wirft Fragen auf. Insbesondere weil stets behauptet wird, dass es eine Entkoppelung von Passagieraufkommen und Flugbewegungsanzahl – und damit verbunden von Fluglärm und Flugdreck – gäbe (z.B. „Airportzentrale“ vom 05.01.17).

Als Anfang der 2010er Jahre die Billigflugbranche Sorge trug, dass das preisgetriebene Mobilitätsinteresse stagnieren könnte, wurden neue Wachstumsstrategien entwickelt (vgl. DLR-Jahresbericht 2014). Zumindest am Regionalflughafen in Hamburg-Fuhlsbüttel haben die gewählten Maßnahmen (es gibt nichts, was man nicht noch schlechter und billiger anbieten kann) „gefruchtet“: Seit 2013 sind die Passagierzahlen von 13,5 Mio. um 20,2 % auf 16,2 Mio. angestiegen. Da gleichzeitig die durchschnittliche Anzahl an Passagieren pro Flugbewegung von 105 im Jahr 2013 auf 112 im Jahr 2016 nur um 6,7 % angewachsen ist, bedeutet dies, dass das Passagierwachstum unmittelbar mit einer Erhöhung der Flugbewegungsanzahl verbunden ist. Diesen umweltrelevanten Zusammenhang versucht die Betreibergesellschaft bestmöglich zu verschleiern und spricht nebulös von einem Passagierwachstum ohne Mehrbelastung für die Bevölkerung in den An- und Abflugschneisen.

Abb.: Entwicklung der Passagieranzahl und der transportierten Passagiere pro Flug am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2013 bis 2016

Da ein 20,2 %-iger Passagierzuwachs nicht über eine Erhöhung der Passagierzahl je Flug von 6,7 % zu kompensieren ist, muss es zeitgleich zu einer deutlichen Erhöhung der Flugbewegungsanzahl gekommen sein. Dem ist so: Im Jahr 2013 betrug die Anzahl an Flugbewegungen insgesamt (d.h. inklusive Hubschrauberflüge, Militär-, Polizei- und Regierungsflüge, Rettungsflüge, Frachtflüge, Privatflüge) 143.802. Hiervon entfielen 90 % auf gewerbliche Linien- und Touristikflüge; entsprechend 129.502. Innerhalb von vier Jahren hat sich die Gesamtanzahl an Flugbewegungen auf 160.642, d.h. um 11,7 % und die Anzahl an gewerblichen Linien- und Touristikflügen auf 145.265, d.h. um 12,2 % erhöht. Die FHG-Behauptung der (angeblichen) Entkopplung der Passagierzunahme von der Flugbewegungsanzahl ist daher eindeutig widerlegt.

Abb.: Entwicklung der Gesamtanzahl an Flugbewegungen sowie der Anzahl an gewerblichen Flügen (Linien- und Touristikflieger) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2013 bis 2016

Mit einer steigenden Anzahl an Flugbewegungen ist damit zu rechnen, dass auch der Fluglärm entsprechend zunimmt. Traditionell wird dieser als flächenhafte Ausdehnung der 62 dB(A)-Dauerschallisophone ausgedrückt. Seit 2013 ist der Fluglärmteppich um 12,9 % von 12,4 km² auf 14,0 km² angewachsen. Wird zusätzlich die Fluglärmsumme (d.h. das Produkt der mittleren Fluglärmpegel und deren Häufigkeit (vgl. NoFlyHAM-Beitrag „Objektiver Lärmzuwachs“)) ausgewertet, zeigt sich dahingehend Spannendes, dass die Entwicklung der tatsächlichen Fluglärmpegel (verrechnet mit deren jeweiliger Häufigkeit) innerhalb des Betrachtungszeitraumes mit einem Zuwachs von 22,9 % (2013: 27,9 ∑ MdB(A); 2016: 34,3 ∑ MdB(A)) wesentlich höher ausfällt als die des Fluglärmteppichs.

Woran liegt dies?

Die Berechnungsgrundlage für den Fluglärmteppich ist kompliziert und die eigentliche Berechnung für Außenstehende nicht direkt nachvollziehbar. Wesentliche Eckpunkte sind die Anzahl der Flugbewegungen in den sechs flugverkehrsreichsten Monaten eines Jahres in Verbindung mit der jeweiligen Lärmklasse der verschiedenen Flugzeugtypen (vgl. Dialogforum 2005). Diese Eingangsgrößen werden einem festen Bahnbenutzungsanteil, wie er 1997 vorherrschte, zugeordnet – unabhängig davon, ob der tatsächliche Bahnbenutzungsanteil im Auswertungszeitraum hiervon abweicht.

Kritisch ist, dass bei der Berechnung des Fluglärmteppichs eine Flugverkehrszunahme außerhalb der sechs flugverkehrsreichsten Monate ebenso wenig Beachtung findet wie die zusätzliche Belastung der Bevölkerung infolge schlechter fliegerischer Praxis (z.B. höhere Fluglärmpegel am Boden aufgrund praktizierter sog. Flachstartverfahren (1.000 ft Cutback) oder die Abweichung von Minimum-Noise-Routing-Abflugkorridoren (MNR) aufgrund von „Einzelfreigaben“).

Großer Vorteil der Fluglärmsumme im Gegensatz zum Fluglärmteppich ist, dass jede(r) interessierte(r) Bürger(in) sich die Fluglärmpegel-Häufigkeitstabellen der FHG im Internet heraussuchen und herunterladen kann, um dann aus diesen die Entwicklung der Fluglärmbelastung an einer der zwölf offiziellen Messstellen – und auf Basis der Eignungshöffigkeit, dass das bestehende Messnetz in Gänze als repräsentativ anzusehen ist, auch für den gesamten Fluglärmeinzugsbereich – eigenständig zu ermitteln. Die Berechnung selbst ist einfach, das gesamte Verfahren transparent. Die erzielten Ergebnisse sind gleichsam sensitiv (d.h. der Lärmzuwachs wird hinreichend abgebildet), robust (d.h. die Berechnung beruht auf zertifizierten Fluglärmmessungen) und reproduzierbar (jede Person kann das Ergebnis zu jeder Zeit eigenständig „mit einer erweiterten Taschenrechnerfunktion“ nachvollziehen). Zu beachten ist, dass weniger der absolute Betrag der Lärmsumme Aussagekraft besitzt, als der relative Vergleich (zeitliche Entwicklung).

Abb.: Entwicklung der räumlichen Ausdehnung des Fluglärmteppichs sowie der Fluglärmsumme am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ in den Jahren 2013 bis 2016

Mehr Passagiere generieren mehr Umsatz, sind Garant für die Schaffung von Arbeitsplätzen; soweit so gut. Es stellt sich jedoch die Frage, in welchem konkreten Verhältnis der Umsatz der Flughafenbetreibergesellschaft zum Passagierwachstum gestiegen ist und wir groß die positiven Arbeitsplatzeffekte im selben Betrachtungszeitraum ausgefallen sind. Um es kurz zu machen: Während die Passagierzahl von 2013 bis 2016 um 20,2 % gestiegen ist, ist der Umsatz „nur“ um 16,3 % angewachsen. Im Jahr 2013 waren es 254,5 Mio. Euro und drei Jahre später 296,0 Mio. Euro.

Die Entwicklung der Arbeitsplatzanzahl bleibt in diesem Vergleich noch weiter zurück: Lediglich um 7,6 % (2013: 1.774, 2016: 1.908) ist der FHG-Personalbestand (inkl. der angegliederten Tochtergesellschaften) angestiegen. Auch ein Grund dafür, dass es mit der Gepäckabfertigung immer häufiger hapert. Wer mehr Passagiere pro Zeiteinheit umschlagen will, muss auch entsprechend qualifiziertes und motiviertes Personal in hinreichender Quantität bereitstellen!

Abb.: Entwicklung des Umsatzes und der Arbeitsplatzanzahl der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) in den Jahren 2013 bis 2016

Fazit:

Während die Flughafenbetreibergesellschaft und die Fluglobby Jahr um Jahr die neuen Passagierrekorde feiern, nimmt das Leid der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu. Bereits der einfache Vergleich mehrerer Kennzahlen rückt die schrillen Jubelarien jedoch in ein anderes, deutlich kritischeres Licht. Insbesondere der effektive Lärmzuwachs (ausgedrückt über die Fluglärmsumme) offenbart, dass bei einer Bewertung des Passagierzuwachses zwingend die externen Umweltkosten zu beachten sind. Ein FHG-Jahresbericht ohne die Einbeziehung der Entwicklung von Anzahl und Ausmaß der Fluglärmbetroffenen ist unzureichend.

Jegliches hat seinen Preis“ – nur beim Luftverkehr denkt mann/frau immer noch „über den Wolken soll die Freiheit (Luftverkehrswachstum) grenzenlos sein. Diese Rechnung kann nur zu Lasten Dritter – der vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürgern – scheinbar aufgehen.

Die mit der Steigerung des Passagiertransportvolumens weiter ansteigenden externen Umweltkosten müssen jedoch bei einer bilanzierenden Betrachtung konsequent eingebunden werden. Alles andere ist Willkür.